Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen. Artikel 42 EG. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Artikel 58. Leistung zugunsten von Arbeitnehmern, die Asbest ausgesetzt waren. Berechnung von Geldleistungen. Weigerung, in einem anderen Mitgliedstaat erzielte Arbeitsentgelte zu berücksichtigen
Beteiligte
Caisse régionale d'assurance maladie du Nord-Est |
Tenor
Artikel 58 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung ist dem Zweck von Artikel 42 EG konform dahin auszulegen, dass die Berechnung des „Durchschnittsentgelts” im Sinne der erstgenannten Vorschrift in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits aufgrund des Arbeitsentgelts erfolgt, das der Betroffene bei normaler beruflicher Entwicklung erhalten hätte, wenn er weiterhin in dem Mitgliedstaat, dem der zuständige Träger angehört, beschäftigt gewesen wäre.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunal des affaires de sécurité sociale de Longwy (Frankreich) mit Entscheidung vom 14. April 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Mai 2005, in dem Verfahren
Fabien Nemec
gegen
Caisse régionale d'assurance maladie du Nord-Est
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter), J. Makarczyk, G. Arestis und L. Bay Larsen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Nemec, vertreten durch M. Gamelon, avocat,
- der Caisse régionale d'assurance maladie du Nord-Est, vertreten durch A. Schaf Codognet und F. Verra, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Stratford als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. April 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, des Artikels 15 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihren durch die Verordnung (EG) des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassungen (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71 bzw. Verordnung Nr. 574/72) und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1) sowie des Artikels 39 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Nemec und der Caisse régionale d'assurance maladie du Nord-Est (Regionale Krankenkasse für den Nordosten, im Folgenden: CRAM) wegen deren Entscheidung, für die Berechnung der Höhe der Leistung, die zugunsten von asbestexponierten Arbeiternehmern bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vorgesehen ist (im Folgenden: Leistung für ehemalige Asbestarbeiter), die Arbeitsentgelte, die Herr Nemec während seiner Arbeitnehmertätigkeit in Belgien erhalten hatte, nicht zu berücksichtigen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Die Verordnung Nr. 1408/71
3 Artikel 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:
…
t) ‚Leistungen’ und ‚Renten’: sämtliche Leistungen und Renten einschließlich aller ihrer Teile aus öffentlichen Mitteln, aller Zuschläge, Anpassungsbeträge und Zulagen, soweit Titel III nichts anderes vorsieht; ferner die Kapitalabfindungen, die an die Stelle der Renten treten können, sowie Beitragserstattungen;
…”
4 Artikel 3 „Gleichbehandlung”) Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.”
5 Artikel 4 Absatz 1 dieser Verordnung definiert ihren Geltungsbereich folgendermaßen:
„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, di...