BAG, Urteil vom 28.10.2021, 6 AZR 9/21

§ 32 Abs. 3 Satz 1 TVöD räumt dem Arbeitgeber sowohl bei der Entscheidung, ob er eine den Vorgaben des § 32 Abs. 2 TVöD genügende Stelle überhaupt als „Führungsposition auf Zeit” ausweisen und als solche übertragen möchte, als auch bei der Entscheidung, hierfür entweder einen Arbeitnehmer befristet einzustellen oder die Führungsposition mit einem schon bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu besetzen, freies Ermessen ein. Eine Kontrolle dieser Entscheidung am Maßstab billigen Ermessens unter Heranziehung der von der Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 TVöD-AT entwickelten Grundsätze der sog. doppelten Billigkeitsprüfung findet bei § 32 Abs. 3 TVöD-AT nicht statt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit 1992 bei der Beklagten, bei der Zentralstelle in Berlin der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, deren Aufgaben mit Wirkung vom 17.6.2021 auf das Bundesarchiv übergegangen sind, beschäftigt. Der TVöD-AT findet durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme Anwendung. Bis Ende 2012 war ihr die Stelle einer Sachbearbeiterin übertragen, welche nach der EG  9b und seit dem 1.3.2018 der EG 9c TVöD (Bund) bewertet war. Aufgrund ihrer Bewerbung wurde ihr zunächst für 4 Jahre, bis Ende 2016, die gem. § 32 TVöD-AT als Führung auf Zeit ausgeschriebene Stelle als Sachgebietsleiterin Akteneinsicht, welche nach EG 11 bewertet war, übertragen, mit nochmaliger 4-jähriger Verlängerung bis Ende 2020.

Aufgrund von internen Organisationsänderungen entfiel jedoch die Stelle der Klägerin vorzeitig zu Ende Juni 2019. Darüber wurde sie mit Schreiben vom 13.5.2019 informiert mit dem Hinweis, dass ihr ab dem 1.7.2019 ihre originären Tätigkeiten als Sachbearbeiterin Akteneinsicht übertragen würden. Der Anspruch auf die Zulage und den Zuschlag nach § 32 Abs. 3 TVöD-AT, die die Beklagte während der Übertragung der Führungsposition auf Zeit gezahlt hatte, würde somit entfallen.

Die Klägerin erhob dagegen Klage. Sie machte geltend, dass ihr die Tätigkeit als Sachgebietsleiterin Akteneinsicht spätestens seit dem 1.1.2017 auf Dauer übertragen worden sei. Sie begründete dies damit, dass die Übertragung einer Führungsposition auf Zeit an einen internen Beschäftigten nach § 32 Abs. 3 TVöD-AT in Anlehnung an die zu § 14 TVöD-AT ergangene Rechtsprechung des BAG einer sog. doppelten Billigkeitskontrolle unterliege. Somit müsse nicht nur die Übertragung der Tätigkeit an sich, sondern auch deren zeitliche Beschränkung billigem Ermessen entsprechen. Und hier habe spätestens im Zeitpunkt der Verlängerung der befristeten Aufgabenübertragung mit Wirkung ab 1.1.2017 die zeitliche Begrenzung der Aufgabenübertragung nicht mehr billigem Ermessen entsprochen und sei daher unwirksam.

Die Beklagte brachte dagegen vor, dass sich die zu § 14 TVöD-AT ergangene Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 16.7.2020, 6 AZR 287/19) nicht uneingeschränkt auf § 32 Abs. 3 TVöD-AT übertragen lasse; denn die Tarifvertragsparteien hätten bei der Übertragung einer Führungsposition auf Zeit – anders als in den Fällen des § 14 TVöD-AT – bereits selbst einen umfassenden Ausgleich zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen vorgenommen und für die vorübergehend wahrgenommene Führungsposition eine gegenüber dem Regelfall deutlich erhöhte Vergütung vorgesehen. Daran zeige sich, dass die Tarifvertragsparteien durch § 32 Abs. 3 TVöD-AT dem Arbeitgeber grds. ein freies, und nicht ein an billiges Ermessen gebundenes Gestaltungsrecht eingeräumt hätten. Billiges Ermessen habe der Arbeitgeber im Rahmen des § 32 Abs. 3 TVöD nur hinsichtlich der Auswahl des Arbeitnehmers zu wahren.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Das BAG führte hierzu aus, dass es bereits in seinem Urteil vom 16.7.2020 (6 AZR 287/19), erkannt habe, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 TVöD, ob er eine Stelle als "Führungsposition auf Zeit" ausweisen und als solche übertragen möchte, freies Ermessen habe. Dies ergebe sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang sowie aus Sinn und Zweck der Tarifnorm. Gleiches gelte hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitgebers, ob er einen Arbeitnehmer befristet einstellen oder die Position einem schon bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer übertragen, d. h., ob er nach § 32 Abs. 1 oder Abs. 3 TVöD-V vorgehen wolle. Entscheide sich der Arbeitgeber, die Führungsposition auf Zeit intern zu besetzen, habe er jedoch bei der Auswahlentscheidung, welchem konkreten (internen) Arbeitnehmer er die Position übertrage – wie bei § 14 Abs. 1 TVöD-AT  – billiges Ermessen zu wahren. Insofern übe der Arbeitgeber sein Direktionsrecht aus.

Eine Stelle, so die weiteren Ausführungen des Gerichts, entspreche dann den tariflichen Vorgaben an eine Führungsposition auf Zeit, wenn sie die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 TVöD-AT erfülle; d. h. wenn es sich um eine Führungsposition ab EG 10 mit Weisungsbefugnis handele, die vor Übertragung vom Arbeitgeber ausdrückl...

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