Die Frage, ob ein Arbeitskampf insgesamt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ist in erster Linie danach zu beantworten, ob eine Friedenspflicht besteht oder nicht. Dabei ist zwischen der relativen Friedenspflicht und der absoluten Friedenspflicht zu unterscheiden.

1. Relative Friedenspflicht

Die mit dem Tarifvertrag seinem Wesen nach ohne Weiteres verbundene relative Friedenspflicht dient dem Schutz des Tarifvertrages als einer Friedensordnung für den durch ihn gegenständlich erfassten und geregelten Bereich des Arbeitslebens. Diese Friedenspflicht verbietet daher – im Gegensatz zur absoluten Friedenspflicht – nur einen Arbeitskampf, der sich gegen den Bestand des Tarifvertrages oder gegen einzelne seiner Bestimmungen während seiner Laufzeit richtet[1]. Die Friedenspflicht muss nicht besonders vereinbart werden, sie ist vielmehr dem Tarifvertrag immanent[2].

Zur Begründung einer über den vorgenannten Rahmen hinausgehenden Friedenspflicht bedarf es einer besonderen Vereinbarung der Tarifvertragsparteien. Allein der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien seit langer Zeit fortlaufend Tarifverträge abgeschlossen haben, führt nicht zu einer Erweiterung der tariflichen Friedenspflicht über die tariflichen Regelungsgegenstände hinaus[3].

Aus diesem Grund verstößt ein Sympathiestreik (→ Unterstützungsstreik) zur Unterstützung eines in einem anderen Tarifbereich geführten Arbeitskampfes nicht gegen die relative Friedenspflicht aus den im eigenen Tarifbereich geltenden Tarifverträgen, so dass hierauf kein Anspruch auf Unterlassung des Sympathiestreiks gestützt werden kann. Ob ein Sympathiestreik aus anderen Gründen rechtswidrig ist, muss im Einzelfall geprüft werden.[4]

Bejaht hat das Bundesarbeitsgericht eine "erweiterte Friedenspflicht" mit Urteil vom 26. Juli 2016[5], weil die Tarifvertragsparteien in dem in Rede stehenden Tarifvertrag für den Bereich Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale bestimmt hatten, dass die im Tarifvertrag aufgeführten Regelungen für die vorgesehene Laufzeit abschließend seien und Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte von der Friedenspflicht der Vereinbarung erfasst sein sollten. Dass die neuen Forderungen in Empfehlungen des eingeschalteten Schlichters enthalten gewesen seien, ändere daran nichts. Der Streik ist damit insgesamt als rechtswidrig bewertet worden.

[1] BAG, 21.12.1982, 1 AZR 411/80, AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] BAG, 10.12.2002, 1 AZR 96/02, AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[3] BAG, 21.12.1982, 1 AZR 411/80, AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[4] Für rechtswidrig hat das ArbG Berlin mit Urteil vom 27. Juni 2019, 4 Ga 7529/19 einen sog. Partizipationsstreik angesehen, bei dem Arbeitnehmer in den Ausstand treten, um ein tariflich regelbares Ziel für einen fremden Tarifvertrag zu erreichen, das nur indirekt Auswirkungen auf sie hat, wenn diesem Arbeitskampf eine eigene Friedenspflicht entgegensteht.
[5] BAG vom 26. Juli 2016, 1 AZR 160/14 = AP Nr. 184 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

2. Absolute Friedenspflicht

Eine absolute Friedenspflicht ist dem Tarifvertrag nicht immanent. Sie kann aber ausdrücklich vereinbart werden (→ Schlichtung). Während der absoluten Friedenspflicht sind jegliche Arbeitskampfmaßnahmen – unabhängig von ihrer Bezeichnung – unzulässig.

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