Betreff: |
Kein automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen bei fehlender Antragstellung von Beschäftigten - Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 - C-684/16 |
hier: |
Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sowie Charta der Grundrechte der Europäischen Union |
Aktenzeichen: |
D5-20202/1#48 |
Der EuGH hat in o. g. Rechtssache (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. gegen Tetsuji Shimizu) auf Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden: Das Unionsrecht lässt es nicht zu, dass Arbeitnehmer die ihnen im Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage automatisch am Ende des betreffenden Bezugszeitraums schon allein deshalb verlieren, weil sie keinen Urlaub beantragt haben. Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt dies entsprechend für den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung). Diese Ansprüche können laut EuGH nur untergehen, wenn die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, z. B. durch angemessene Aufklärung, tatsächlich in die Lage versetzt wurden, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber.
Weiterhin hat der EuGH festgestellt, dass ein freiwilliger Verzicht auf die Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs nicht dazu führen kann, die Vergütung bei Ende des Beschäftigungsverhältnisses zu erhöhen. Dies wäre mit dem Urlaubszweck nicht vereinbar, einen wirksamen Schutz für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten.
Ist der Arbeitgeber in der Lage, den Nachweis zu erbringen, dass Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet haben, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem sie in die Lage versetzt worden waren, ihren Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.
Der dem deutschen Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegende Fall ist zur weiteren Entscheidung dem BAG als vorlegendem Gericht zurücküberwiesen worden. Welche konkreten Konsequenzen das BAG nach dem Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung aus den bindenden Vorgaben des EuGH für das deutsche Recht ziehen wird, ist daher noch offen. Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen der EuGH-Entscheidung auf das deutsche Urlaubsrecht kann zu diesem Zeitpunkt daher noch nicht erfolgen. Vorsorglich wird auf Basis der vom EuGH auf-gestellten Grundsätze empfohlen, die Beschäftigten zeitnah über ihre demnächst verfallenden Urlaubsansprüche zu informieren.
Aufzuklären ist in jedem Fall darüber, dass noch vorhandene Urlaubsansprüche am Ende des jeweiligen Bezugs- bzw. Übertragungszeitraums verfallen, wenn Beschäftigte den ihnen noch zustehenden Urlaub nicht rechtzeitig beantragen und in Anspruch nehmen. Die Beschäftigten sollten mit dieser Mitteilung auch aufgefordert werden, ihren Resturlaub zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Eine solche Mitteilung und Aufforderung gegenüber den Beschäftigten, Resturlaubsansprüche in Anspruch zu nehmen, hat in geeigneter Form zu erfolgen, z. B. im Intranet oder in der Hausmitteilung.
Beispiel für eine Information der Beschäftigten bei Anwendung des BMI-Rundschreibens vom 27. März 2015 - Az. D5-31001/3#4:
"Ihre noch bestehenden Erholungsurlaubsansprüche, die im Kalenderjahr 2017 entstanden sind, verfallen grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2018, wenn sie nicht rechtzeitig vor Jahresschluss beantragt und in Anspruch genommen werden."
"Die Ihnen aus dem Kalenderjahr 2017 noch zustehenden Urlaubstage können Sie aus Ihrem persönlichen Urlaubskonto ersehen. Dieser aus dem Kalenderjahr 2017 stammende Resturlaub ist von Ihnen so rechtzeitig zu beantragen und anzutreten, dass er noch vollständig bis 31. Dezember 2018 abgebaut werden kann. Ansonsten verfällt Ihr Anspruch."