EuGH zur Verjährung von Urlaubsansprüchen

Der Jahresurlaub von Beschäftigten verfällt nur noch, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflicht erfüllt hat. Auch eine Verjährung von Urlaubsansprüchen ist nicht ohne Weiteres möglich, entschied der Europäische Gerichtshof und hat damit die Rechte von Beschäftigten gestärkt.

Nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verfällt Urlaub nur noch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall aufmerksam gemacht hat. Nach deutschem Recht könnten Beschäftigte ihren Anspruch auf bezahlten Urlaub dennoch verlieren, weil dieser aufgrund der gesetzlichen Verjährungsfristen nach drei Jahren verjährt sein könnte. Dies machte ein Arbeitgeber im vorliegenden Fall geltend. Wie mit einer möglichen Verjährung von Urlaubsansprüchen in diesem Fall umzugehen ist, wollte das Bundesarbeitsgericht (BAG) vom EuGH wissen. Mit seinem Urteil hat der EuGH die Rechte von Beschäftigten gestärkt und klar gemacht, dass die Mitwirkung des Arbeitgebers unerlässlich ist.

Der Fall: Verjähren Urlaubsansprüche bei fehlender Mitwirkung des Arbeitgebers?

Der EuGH beschäftigte sich in drei Verfahren aus Deutschland. In einem dieser Verfahren verlangte eine Steuerfachangestellte vom früheren Arbeitgeber, einer Kanzlei, die Abgeltung von Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren. Der Arbeitgeber hatte sie weder aufgefordert, Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne. Der Urlaub konnte daher nicht verfallen. Nach Meinung des Arbeitgebers waren die Urlaubsansprüche jedoch aufgrund der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) bereits verjährt. Die Frist sei bereits vor Ende des Arbeitsverhältnisses abgelaufen.

BAG befragt EuGH zur Verjährung von Urlaubsansprüchen

Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH die Sache vorgelegt. Dieser solle zunächst klären, ob es mit Europarecht vereinbar ist, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach dem Bundesurlaubsgesetz verfallen konnte, der Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unterliegt.

Bereits EuGH-Generalanwalt Richard de la Tour stärkte in seinen Schlussanträgen die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Vor jeder Umsetzung nationaler Vorschriften, die zum Erlöschen des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen, einschließlich der Anspruchsverjährung, müsse vorab überprüft werden, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen.

Ohne Mitwirkung des Arbeitgebers keine Urlaubsverjährung 

Dieser Auffassung ist der EuGH gefolgt. In seinem Urteil wies er darauf hin, dass der Anspruch von Beschäftigten auf bezahlten Urlaub zwar grundsätzlich einer dreijährigen Verjährung unterliegen könne. Arbeitgeber müssten aber nach Unionsrecht dafür sorgen, dass Beschäftigte den Urlaubsanspruch wahrnehmen können. Daher sei auch hier die Mitwirkung des Arbeitgebers unerlässlich dafür, dass Urlaubstage erlöschen. Wenn der Arbeitgeber sich gegen späte Anträge seiner Mitarbeitenden wegen nicht genommenen Jahresurlaubs wappnen wolle, ist es nach Ansicht des EuGH seine Sache die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, indem er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten ihnen gegenüber nachkommt.

Falls der Arbeitgeber dies wie vorliegend versäumt habe, dürfe der Anspruch auf bezahlten Urlaub demnach auch nicht mit der Einrede der Verjährung begegnet werden. 

(EuGH, Urteile vom 22.09.2022, Az C-120/21; C-518/20; C-727/20)


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