Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), § 26 Erholungsurlaub

Rechtsprechung zur Übertragung und Abgeltung von Urlaub, mein Rdschr. vom 15. Juli 2009, AZ: D 5 - 220 210-2/26

Bezug: Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22.04.2010, Rs. D-486/08

Das Urteil des EuGH vom 20.01.2009, C-350/06 und C-520/06 (Schultz-Hoff Entscheidung) zur Übertragung und Abgeltung von Urlaub hat eine Korrektur der bis dahin geltenden Rechtslage zur Folge, die für die Praxis der personalbetreuenden Verwaltungen von erheblicher Bedeutung ist. Mit meinem Bezugsrundschreiben hatte ich dazu erste Durchführungshinweise gegeben. Der EuGH hat seitdem seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht weiter präzisiert.

Mit Urteil vom 22.04.2010, C-486/08 (Tirol Entscheidung) hat der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens über die Fallgestaltung entschieden, wenn Beschäftigte von einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung wechseln und der in Vollzeit erworbene Erholungsurlaub erst während der Teilzeitbeschäftigung in Anspruch genommen wird, weil die Inanspruchnahme vorher nicht möglich war.

1 Ausmaß des Urlaubsanspruchs beim Wechsel des Beschäftigungsumfangs

Die EuGH-Entscheidung v. 22.04.2010 hat für die Berechnung der Urlaubsdauer in Deutschland keine Auswirkungen.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung dazu ausgeführt:

... dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit steht. Folglich darf durch eine Veränderung, insbesondere Verringerung, der Arbeitszeit beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung der Anspruch auf Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer in der Zeit der Vollbeschäftigung erworben hat, nicht gemindert werden. …(Rdnr. 32)

Die Urlaubsdauer ist nach deutschem Urlaubsrecht unabhängig vom Ausmaß und von der Verteilung der Arbeitszeit. Sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte haben im Kalenderjahr den gleichen Umfang an bezahlter Freistellung von der Arbeitspflicht (§ 3 BUrlG, § 26 TVöD). Dabei ist es – anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall - unerheblich, wie viele Arbeitsstunden der jeweilige Arbeitstag hat. Maßgebend für die Anrechnung auf den Urlaubsanspruch ist allein, ob an dem betreffenden Urlaubstag aufgrund der individuellen Verteilung der Arbeitszeit an sich eine Arbeitspflicht bestünde. Sofern die Arbeitszeit abweichend von der Fünf-Tage-Woche verteilt ist, vermindert oder erhöht sich der Urlaubsanspruch entsprechend (§ 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD). Zwar verändert sich durch diese Umrechnung die Anzahl der zustehenden Urlaubstage, die damit erzielbare Dauer an Urlaubswochen bleibt jedoch unverändert. Ein Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung bei Reduzierung der Anzahl der Wochenarbeitstage führt also nicht zu einer Verkürzung der Freistellungsdauer.

Beispiel (ausgehend von einem jeweiligen Jahresurlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen):

Ein an fünf Arbeitstagen tätiger Vollbeschäftigter erhält im Kalenderjahr 30 Tage = 6 Wochen Urlaub
Ein an vier Arbeitstagen tätiger Vollbeschäftigter erhält im Kalenderjahr 24 Tage = 6 Wochen Urlaub
Ein an fünf Arbeitstagen tätiger Teilzeitbeschäftigter erhält im Kalenderjahr 30 Tage = 6 Wochen Urlaub
Ein an drei Arbeitstagen tätiger Teilzeitbeschäftigter erhält im Kalenderjahr 18 Tage = 6 Wochen Urlaub

Dass die Zahl der Urlaubswochen die relevante Vergleichsgröße für den Jahresurlaub ist, ergibt sich unmittelbar aus der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. In Art. 7 der Richtlinie ist der Mindestjahresurlaub ausdrücklich nach Wochen bemessen. Auch das BAG spricht insoweit von einem durch die RL "gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs.1 BurlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen" (BAG –23.03.2010 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810, 812).

Ändert der Beschäftigte im Laufe des Urlaubsjahres die Verteilung seiner Arbeitszeit, so entspricht der aufgrund der geänderten Berechnungsgröße ermittelte Anspruch dem Gleichheitsprinzip. Im Ergebnis hat die Umrechnung der Urlaubstage keine Auswirkungen auf die Urlaubsdauer. In diesen Fällen bleibt es unverändert bei einer Urlaubsdauer von insgesamt sechs Wochen.

Praxis-Beispiel

Ein an fünf Arbeitstagen tätiger Vollbeschäftigter vermindert im Laufe des Jahres seine Arbeitszeit. Er ist ab 1. Mai mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit nur noch jeweils an drei Arbeitstagen in der Woche tätig. Im Januar hat er bereits fünf Tage Erholungsurlaub von den 30 Tagen Gesamtanspruch in Anspruch genommen. Es verbleibt ein Restanspruch in Höhe von 25 Tagen, die ab 1. Mai aufgrund des geänderten Beschäftigungsumfangs umzurechnen sind. 25 / 5 x 3 = 15 Tage Erholungsurlaub. Mit dem restlichen Urlaubsanspruch hat der Beschäftigte bei einer Dreitagewoche Anspruch auf fünf Wochen Erholungsurlaub. Mit der bereits in der Vollbeschäftigung erhaltenen Freistellung besteht insgesamt ein Anspruch auf sechs Wochen Erholungsurlaub.

Insoweit hat die EuGH Entscheidung vom 22.04.2010 keine Auswirkung auf die Berechnung der Urlaubsdauer in Deutschland. Eine Vermind...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge