Der Urlaubssenat des BAG hat in den Entscheidungsgründen zu seiner neuen Rechtsprechung keine eigenen Ausführungen zur Umsetzung im Hinblick auf das Urlaubsentgelt getroffen. Das BAG beschränkte sich darauf, lediglich die Ausführungen zur Bemessung des Urlaubsentgelts aus Rz. 35 der Urteilsbegründung der o. g. "Tirol"-Entscheidung des EuGH zu wiederholen (s. Juris-Rz. 28 der BAG-Entscheidung). Darin führt der EuGH aus, dass es dem einschlägigen Unionsrecht entgegensteht, wenn "bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst wird, dass der von einem Arbeitnehmer, der von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung übergeht, in der Zeit der Vollbeschäftigung erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, reduziert wird oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann…"

In Rz. 38 der o. a. "Brandes"-Entscheidung präzisiert der EuGH dahin gehend, dass Arbeitnehmer das Äquivalent der vor dem Änderungsstichtag auf Grundlage des bisherigen Beschäftigungsumfangs erworbenen Urlaubstage, erhalten sollen. Ferner steht nach Feststellung des EuGH "…die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit …" (s. "Tirol" Rz. 32 und "Brandes" Rz. 30).

Demnach scheint dem unionsrechtlichen Verständnis des EuGH, soweit die Berechnung des Urlaubsentgelts von der individuell vereinbarten Arbeitszeit abhängt, der Gedanke eines erworbenen "Wertguthabens" zugrunde zu liegen; dieses ist bei der späteren Urlaubsgewährung wertgleich wieder auszuzahlen. Für die nicht verbrauchten Urlaubstage bleiben die im Zeitraum des Erwerbs ("fiktiver" Abschnitt vor dem Änderungsstichtag) zugrunde liegenden Berechnungsfaktoren (Zeit- und Geldfaktor) maßgebend. Zur Berücksichtigung von späteren Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur hat der EuGH keine Aussagen getroffen.

Praxis-Beispiel

Beispiel 1:

Ein an fünf Arbeitstagen Vollzeitbeschäftigter vermindert ab 1. September 2015 seine Arbeitszeit um 50 % und verteilt diese Arbeitszeit auf drei Wochenarbeitstage. Ab 11. Oktober 2015 nimmt er seinen gesamten Jahresurlaub in Anspruch.

Der Urlaubsanspruch errechnet sich im Kalenderjahr des Wechsels wie folgt:

  • 20 Urlaubstage für Januar bis August (Vollzeit in Fünftagewoche)

    = 8/12 von 30 Urlaubstagen, d.h. 30 x 8 Monate
    12 Monate

    sind mit einem Urlaubsentgelt, das sich gemäß der vor dem Änderungsstichtag ausgeübten Vollzeitbeschäftigung bemisst, zu bezahlen und

  • 6 Urlaubstage für September bis Dezember (Teilzeit in Dreitagewoche)

    = 4/12 von 18Urlaubstagen [30/5x3], d.h. 18 x 4 Monate
    12 Monate

    sind mit einem Urlaubsentgelt, das sich gemäß der nach dem Änderungsstichtag ausgeübten Teilzeitbeschäftigung bemisst, zu bezahlen.

Beispiel 2:

Ein an fünf Arbeitstagen Teilzeitbeschäftigter mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden vermindert - unter Beibehaltung der Fünftagewoche - ab 19. Oktober 2015 seine individuell vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit erneut auf dann insgesamt 20 Wochenstunden. Der Urlaubsanspruch beträgt unverändert 30 Urlaubstage, lediglich das Urlaubsentgelt ist im Kalenderjahr des Wechsels wie folgt neu zu berechnen:

  • 25 Urlaubstage für Januar bis Oktober (Teilzeit mit 30 Wochenstunden)

    = 10/12 von 30 Urlaubstagen, d.h. 30 x 10 Monate
    12 Monate

    sind mit einem Urlaubsentgelt, das sich gemäß der vor dem Änderungsstichtag ausgeübten Teilzeitbeschäftigung mit 30 Wochenstunden bemisst, zu bezahlen und

  • 5 Urlaubstage für November bis Dezember (Teilzeit mit 20 Wochenstunden)

    = 2/12 von 30 Urlaubstagen, d.h. 30 x 2 Monate
    12 Monate

    sind mit einem Urlaubsentgelt, das sich gemäß der nach dem Änderungsstichtag ausge-übten Teilzeitbeschäftigung mit 20 Wochenstunden bemisst, zu bezahlen.

Infolge dieser unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH sind die innerstaatlichen Rechtsnormen zur Bemessung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 BUrlG und § 26 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 21 TVöD in Fällen einer Änderung des Beschäftigungsumfangs im Laufe des Urlaubsjahres richtlinienkonform auszulegen. Daher ist – abweichend vom Wortlaut dieser Normen – auch beim Urlaubsentgelt die abschnittsbezogene Betrachtung entsprechend dem jeweiligen Beschäftigungsumfang maßgeblich (s. Ziffer 1.2). Soweit im laufenden Urlaubsjahr eine Änderung der wöchentliche Arbeitszeit in der Kalenderwoche erfolgt, unterscheidet sich nach neuer Rechtsprechung die Bemessungsgrundlage des Urlaubsentgelts für die Zahl der Urlaubstage, die in den "fiktiven" Abschnitten vor und nach dem Änderungsstichtag anteilig erworben wurden. Die richtlinienkonforme Auslegung der vorgenannten Bestimmungen bezieht sich auf den kausalen Zusammenhang in Bezug auf die Änderung des Beschäftigungsumfangs (Zeitfaktor) im laufenden Urlaubsjahr. Nur insoweit ist der Rechenweg für die Bemessung ...

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