Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist auch nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des bisherigen übertariflichen Übertragungszeitraumes von zwölf Monaten zu gewähren, wenn die oder der Beschäftigte diesen Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte. Um dem Rechnung zu tragen, wird in Ergänzung des Rundschreibens zur Übertragung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vom 25. August 2008 mit dem vorliegenden Rundschreiben eine neue übertarifliche Regelung für die Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs bei Krankheit getroffen (s. u. 1.1.4). Endet das Arbeitsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit, ist der noch zustehende, nicht genommene Mindesturlaub abzugelten.
Die Urteile des EuGH und des BAG bezogen sich ausdrücklich nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (vgl. zuletzt BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 575/10). Der darüber hinausgehende tarifliche Urlaubsanspruch unterfällt nicht den Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinie. Die Tarifvertragsparteien sind deshalb grundsätzlich frei, für diesen Anspruch eigene Verfallsregelungen mit einem eigenständigen Fristenregime zu treffen. Allerdings verlangt das BAG deutliche Anhaltspunkte für den Willen der Tarifvertragsparteien, zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen Ansprüchen zu unterscheiden. Mit der o. g. BAG Entscheidung bestätigte der Urlaubssenat, dass § 26 Abs. 2 TVöD mit den Regelungen zur Übertragung und zum Verfall von Urlaubsansprüchen ein eigenständiges Fristenregime, losgelöst von § 7 Abs. 3 BUrlG, darstellt. In der Praxis gelten für die Mehrurlaubsansprüche, wie bereits in dem Bezugsrundschreiben vom 15.7.2009 ausgeführt, die tarifvertraglich bzw. übertariflich vereinbarten Übertragungs- und Verfallsfristen, auch, wenn der Urlaub aufgrund von langfristiger Erkrankung nicht in Anspruch genommen werden konnte.
1 Mindesturlaub nach dem BUrlG
1.1 Urlaubsanspruch
§ 3 BUrlG regelt die Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs. Danach beträgt der jährliche Vollurlaubsanspruch bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Arbeitstage. Dieser Mindesturlaubsanspruch bleibt den Beschäftigten erhalten, auch wenn sie ihn wegen Arbeitsunfähigkeit im laufenden Kalenderjahr und in dem sich anschließenden Übertragungszeitraum nicht verwirklichen konnten.
Ein Beschäftigter ist von Juli 2010 bis zum 15. Januar 2012 arbeitsunfähig erkrankt. Nach seiner Rückkehr ist ihm der Mindesturlaub aus dem Jahr 2010, den er wegen der Erkrankung in den Jahren 2010 und 2011 nicht nehmen konnte, noch zu gewähren.
1.1.1 Inanspruchnahme
Nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit wird der zuvor wegen Erkrankung nicht in Anspruch genommene Urlaub dem Urlaub des dann laufenden Kalenderjahres hinzugefügt und unterliegt als ein einheitlicher Urlaubsanspruch den für diesen geltenden Fristen (BAG vom 9. August 2011 - 9 AZR 425/10). Wird der Urlaub nicht in Anspruch genommen, verfällt er somit, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr oder im Übertragungszeitraum so rechtzeitig gesund und arbeitsfähig wird, dass er in der verbleibenden Zeit den Urlaub hätte nehmen können.
In dem obigen Beispiel (unter 1.1) ist der Urlaub aus dem Jahr 2010 zunächst nach § 26 Abs. 2 Buchst. a bis zum 31. März 2013 zu nehmen. Aufgrund der übertariflichen Übertragungsfrist, wonach die Regelung der Beamtinnen und Beamten des Bundes gem. § 7 Sonderurlaubsverordnung Anwendung findet, ist der Urlaub bis zum 31. Dezember 2013 zu nehmen.
1.1.2 Rente auf Zeit im Anschluss an die Arbeitsunfähigkeit
Das BAG hat bislang offengelassen, ob weitere Urlaubsansprüche entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Gewährung einer Rente auf Zeit (§ 33 Abs. 2 Satz 5, 6 TVöD) ruht (BAG vom 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - und vom 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - ). Eine zweitinstanzliche Entscheidung zu diesem Sachverhalt wird vom BAG in einem Revisionsverfahren am 7. August 2012 verhandelt. Eine Entscheidung bleibt abzuwarten.
Der zuvor bereits entstandene und wegen der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit nicht genommene Mindesturlaub bleibt jedoch auch noch während des Ruhenszeitraumes erhalten und wird, wie unter 1.1.1 für den Fall der Rückkehr nach Krankheit ausgeführt, bei Wiederaufnahme der Tätigkeit grundsätzlich dem Urlaub des dann laufenden Kalenderjahres hinzugefügt. Dabei ist die Verfallsfrist von 15 Monaten (s. u. 1.1.4) zu beachten.
1.1.3 Tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 37 TVöD
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG gilt eine tarifliche Ausschlussfrist nicht für gesetzliche Mindesturlaubsansprüche nach §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG, die gemäߧ 13 BUrlG unabdingbar sind. Dieser Grundsatz ist auch auf Urlaubsansprüche, die wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnten, anzuwenden. § 37 TVöD gilt daher auch insoweit nicht, und zwar weder für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch noch für den tariflichen Mehrurlaub (s. aber zum Abgeltungsanspruch unten 1.2.2).
1.1.4 Befristung und Verfall; neue übertarifliche Regelung für die Beschäftigten des Bundes
Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG betrifft nur den nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG begründeten vierwöchigen Mindesturlaub. Deshalb finden für den tariflichen Mehrurlaub weiterhin die Fristen des § 26 Abs....