0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) mit Wirkung zum 1.7.1983 eingeführt worden. Aufgrund der Regelung im Vierten Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) ist sie unverändert mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) nochmals verkündet worden. Mit der Einführung des § 115 hat der Gesetzgeber keine neue gesetzliche Regelung geschaffen, sondern lediglich die Fülle der bis zur Einführung bestehenden gesetzlichen Regelungen vereinheitlicht.
1 Allgemeines
1.1 Systematik und Aufbau
Rz. 2
Während der übrige Teil des mit § 115 beginnenden Abschnitts des SGB X Schadensersatzansprüche betrifft, behandelt § 115 den Übergang von Ansprüchen eines Arbeitnehmers auf den Leistungsträger. Dieser Fall liegt damit rechtssystematisch außerhalb des Regelungsbereiches, den die frühere Vorschrift des § 1542 RVO erfasste und der den Schwerpunkt der Neuregelungen dieses Gesetzesabschnitts ausmacht.
Rz. 3
Aus § 115 Abs. 1 ergibt sich der gesetzliche Übergang (cessio legis) des Anspruchs des Arbeitsnehmers auf Arbeitsentgelt soweit der Arbeitgeber diesen Anspruch nicht erfüllt und der Sozialleistungsträger deshalb Leistungen erbracht hat. Die Höhe des Anspruchsübergangs ist beschränkt auf die Höhe der erbrachten Sozialleistungen. Nach Abs. 2 steht dem Forderungsübergang nicht entgegen, dass der Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht übertragen (§ 400 BGB), verpfändet (§ 1274 Abs. 2 BGB) oder gepfändet (§ 850c ZPO) werden kann. Anstelle des Anspruchs des Arbeitsnehmers auf Sachbezüge im Rahmen des Forderungsübergangs nach Abs. 1 tritt nach Abs. 3 ein Anspruch auf Geld, der sich nach der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitsgebers als Arbeitsentgelt – Sozialversicherungsentgeltverordnung berechnet.
1.2 Zweck
Rz. 4
§ 115 soll – wie seine Vorgängernormen – einen Ausgleich in den Fällen schaffen, in denen ein Arbeitgeber den Entgeltanspruch eines Arbeitnehmers nicht erfüllt und ein Sozialleistungsträger deshalb Sozialleistungen erbringen muss (BSG, Urteil v. 23.6.1981, 7 RAr 29/80). Damit wird bewirkt, dass der Sozialleistungsträger lediglich "in Vorleistung tritt" und nicht das Arbeitsentgelt endgültig sicherstellt; es erfolgt vielmehr eine Vorfinanzierung (Denck, SGb 1986 S. 489). Durch den gesetzlichen Forderungsübergang (cessio legis) erhält der Leistungsträger die Forderung jedoch nur in dem Umfang, in dem sie zugunsten des Arbeitnehmers bestanden hat. Weiter beschränkt sich der Umfang des Forderungsübergangs auf den Umfang der vom Versicherungsträger erbrachten Leistungen. Mithin verfolgt § 115 die Vermeidung von Doppelleistungen an den Leistungsempfänger, den Schutz des Arbeitgebers gegen eine Verschlechterung seiner Rechtsposition infolge des Forderungsübergangs und den Schutz des Leistungsempfängers als ursprünglichem Gläubiger der Forderung (Peters-Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, Stand: 1.12.2017, § 115 Rz. 8 ff.).
2 Rechtspraxis
2.1 Konkurrenzen
2.1.1 Verhältnis zu § 116
Rz. 5
Soweit die Voraussetzungen von § 115 und § 116 vorliegen, etwa der Sozialleistungsträger Krankengeld wegen einer durch einen Dritten verursachten Arbeitsunfähigkeit leistet und der Arbeitgeber seiner Entgeltfortzahlungspflicht nicht nachkommt, kann der Sozialleistungsträger wahlweise gemäß § 115 (beim Arbeitgeber) oder gemäß § 116 (beim Schädiger) Rückgriff nehmen. Wenn und soweit der Rückgriff auf den Arbeitgeber erfolgt, geht der Anspruch des Sozialleistungsträgers nach § 116 nicht gemäß § 6 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) auf den Arbeitgeber über. Der Sozialleistungsträger ist jedoch verpflichtet, diesen Anspruch an den Arbeitgeber abzutreten, damit dem Rechtsgedanken des § 6 EFZG Rechnung getragen wird (Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL 2018, § 115 Rz. 4).
2.1.2 Weitere Konkurrenzen
Rz. 6
Gegenüber § 115 vorrangig sind im Arbeitsförderungsrecht § 169 Satz 1 SGB III im Bereich des Insolvenzgelds und im sozialen Entschädigungsrecht § 16h Satz 1 BVG im Rahmen des Versorgungskrankengelds. Nachrangig sind hingegen die Bestimmungen in § 27g Abs. 1 Satz 1 BVG und in § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, soweit die jeweilige Sozialleistung anstelle des Arbeitsentgelts erbracht worden ist. Bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII dürfte dies regelmäßig zu verneinen sein. § 22 Abs. 5 WoGG schließt eine Anwendung von § 115 aus. § 33 Abs. 5 SGB II bestimmt hingegen ausdrücklich den Vorrang von § 115. Bei § 33 Abs. 5 SGB II handelt es sich um einen Anwendungs- und nicht um einen Ausschließungsvorrang. Soweit ein Anspruchsübergang nach § 115 nicht eintritt, bleibt ein Übergang nach § 33 SGB II möglich (LSG Hessen, Urteil v. 14.3.2014, L 9 AS 90/11, juris Rz. 36). § 115 gilt weiter nicht im Recht der Unterhaltsvorschüsse und der Leistungen für einen Unterhaltsausfall. Insoweit beruht die Erbringung von Sozialleistungen auf der Pflichtverletzung des Unterhaltsverpflichteten, nicht jedoch auf dem Umstand, dass sein Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt zahlt; es fehlt an einer unmittelbaren Kausalität.
2.2 Voraussetzungen des Anspruchsübergangs
Rz. 7
Soweit der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitsentg...