BAG, Urteil v. 22.10.2020, 6 AZR 74/19

Leitsatz (amtlich)

Die Überleitung in die neue Entgeltordnung zum TVöD (VKA) erfolgte aus der Entgeltgruppe, in die der Beschäftigte am Stichtag 31.12.2016 nach dem im Entgeltsystem der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes geltenden Grundsatz der Tarifautomatik tarifmäßig eingruppiert war. Wurde der Beschäftigte an diesem Stichtag aus einer anderen Entgeltgruppe oder wegen der Missachtung einer Stufenbegrenzung aus einer zu hohen Stufe übergeleitet, kann der Arbeitgeber dies korrigieren.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit August 1986 bei dem beklagten Regionalverband als Angestellte beschäftigt. Sie war vor Inkrafttreten des TVöD im Jahr 2005 zuletzt nach einem Bewährungsaufstieg aus der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert und wurde im Zuge der Überleitung 2005 in den TVöD gemäß der Anlage 1 TVÜ-VKA 2005 der sog. "kleinen" EG 9 zugeordnet. Ab dem 1.10.2016 zahlte der Beklagte der Klägerin ungeachtet der Stufenbegrenzung in der "kleinen" EG 9 TVöD versehentlich eine Vergütung aus der EG 9 Stufe 6 TVöD. Mit Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung TVöD VKA zum 1.1.2017 leitete die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die zum 1.10.2016 erfolgte versehentliche Missachtung der Stufenbegrenzung zum 1.1.2017 in die neue EG 9a TVöD VKA über und ordnete sie darin der Stufe 6 zu. Zudem hielt der Beklagte die für die Zeit vom 1.10.2016 bis zum 31.12.2016 gezahlte Differenz zum Entgelt aus der Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TVöD i. H. v. 269,72 EUR vom Entgelt der Klägerin ein.

Hiergegen wandte diese sich nun. Sie verlangte zum einen die Vergütung aus der EG 9b Stufe 6 TVöD ab dem 1.1.2017 sowie die Rückzahlung des vom Beklagten einbehaltenen Entgeltbetrags; denn sie hätte ihrer Auffassung nach in die EG 9b Stufe 6 TVöD übergeleitet werden müssen, da sie am Stichtag 31.12.2016 der EG 9 Stufe 6 TVöD zugeordnet gewesen sei.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass die Klägerin durch die – irrtümliche – Zahlung des Entgelts nach EG 9 Stufe 6 seit dem 1.10.2016 nicht höhergruppiert worden sei, sodass der Beklagte das bis zum 31.12.2016 überzahlte Entgelt einbehalten durfte und die Klägerin nach der Tarifautomatik, die der Überleitungsregelung des § 29c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA zugrunde liegt, aus der sog. "kleinen" EG 9 TVöD in die EG 9a TVöD (VKA) überleiten musste.

Das BAG stellt insoweit klar, dass das Überleitungsrecht zur neuen Entgeltordnung in den §§ 29a ff. TVÜ-VKA die Tarifautomatik nur mit Wirkung für die Zukunft außer Kraft setze und diese nur durch eine Änderung der Tätigkeit oder aufgrund eines fristgerecht gestellten Antrags gem. § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA wieder einsetze. Dagegen verhindere die Vorschrift nicht die Korrektur von Überleitungen aus einer nicht dem Grundsatz der Tarifautomatik entsprechenden Entgeltgruppe.

Das BAG führte hierzu aus, dass gemäß den Überleitungsregelungen der §§ 29ff. TVÜ-VKA maßgebend die Eingruppierung und Stufe sei, die sich unter Beachtung der bis zum 31.12.2016 geltenden Tarifautomatik des abgelösten Eingruppierungsrechts ergab. Die Beschäftigten wurden insofern tarifmäßig eingruppiert übergeleitet. Hierdurch sollte gewährleitet werden, dass für die vorhandenen Beschäftigten keine Verschlechterungen allein durch das Inkrafttreten der Entgeltordnung eintreten. Der durch die §§ 29ff. TVÜ-VKA bezweckte Schutz des Besitzstands knüpfe an diese tarifliche Ausgangslage an. Schutzwürdig solle deshalb nur die sich aus dem Grundsatz der Tarifautomatik ergebende, tarifgerecht erreichte Eingruppierung sein. Beruhe dagegen die am Stichtag 31.12.2016 vom Arbeitgeber angenommene Eingruppierung und Stufenzuordnung tatsächlich auf einer Verkennung des maßgeblichen Tarifrechts, fehle es an einem schutzwürdigen Besitzstand.

Es sei auch aus § 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA kein Wille der Tarifvertragsparteien zu entnehmen, fehlerhafte Eingruppierungen über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Entgeltordnung hinaus durch die Gewährung von Besitzstandsschutz zu legitimieren; denn diese Bestimmung schloss nur eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierungen "aufgrund der Überleitung in die Entgeltordnung" aus, d. h. wenn allein die Überleitung Anlass für die Überprüfung der Eingruppierung war. Überprüfungen aus einem anderen Grund, wie etwa der Feststellung der fehlerhaften Anwendung des Eingruppierungsrechts, blieben dagegen weiterhin möglich.

Da vorliegend die Klägerin tarifgerecht in die sog. "kleine" Entgeltgruppe 9 TVöD eingruppiert gewesen war, war sie nach § 29c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA in die Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) überzuleiten.

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