Der Kündigungsschutz wird in § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KSchG erweitert. Hier werden absolute Gründe für die Sozialwidrigkeit statuiert. Liegen sie vor, ist die Kündigung sozialwidrig, ohne dass es einer Interessenabwägung bedarf.

Voraussetzungen sind:

  • Ordnungsgemäßer, schriftlicher Widerspruch des Betriebsrats/Personalrats gegen die Kündigung,
  • Widerspruch macht zu Recht alternativ geltend, dass

    • gegen Auswahlrichtlinien verstoßen wird,
    • eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht,
    • eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen besteht,
    • eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich und der Arbeitnehmer einverstanden ist.

Fehlt ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats/Personalrats, liegt jedoch tatsächlich einer der genannten Widerspruchsgründe vor, so ist er bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einzubeziehen. Die einzelfallbezogene Interessenabwägung entfällt hier nicht.

10.1 Verstoß gegen Auswahlrichtlinien

Dies setzt voraus, dass mehrere Arbeitnehmer für die Kündigung in Betracht kommen. Dies ist ausschließlich bei betriebsbedingten Kündigungen gegeben.

Auswahlrichtlinien unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats/Personalrats (§ 95 BetrVG/§ 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG).

Wirksame Auswahlrichtlinien sind allerdings von den Arbeitsgerichten bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit auch ohne Widerspruch des Betriebsrats oder des Personalrats zu beachten.

10.2 Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz

Hier wird differenziert zwischen Betrieben des privaten Rechts und dem öffentlichen Dienst. Bei Betrieben des privaten Rechts ist maßgebend eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens. Bei Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts ist maßgebend eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort, einschließlich seines Einzugsgebiets. Einen Verwaltungszweig bilden die Dienststellen, die unter einer einheitlichen Leitung innerlich zusammenhängende Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Es reicht nicht aus, dass sie demselben Ministerium unterstehen. Der Begriff Einzugsgebiet des Dienstortes ist so zu verstehen wie im Umzugskostenrecht.

Der Widerspruchsgrund setzt einen anderen freien, geeigneten Arbeitsplatz voraus. Ein Hinweis auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf dem gleichen Arbeitsplatz genügt nicht.[1] Der andere Arbeitsplatz muss frei sein. Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, z. B. dadurch, dass er bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durch Drittfirmen ausführen lässt.

Der Widerspruchsgrund kommt u. U. auch bei einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung in Betracht. Allerdings nur dann, wenn am neuen Arbeitsplatz der Kündigungsgrund entfällt.

Der Widerspruch des Betriebsrats/Personalrats ist nur ordnungsgemäß, wenn die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit konkret aufgezeigt wird.

10.3 Weiterbeschäftigung nach Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen

Voraussetzung ist, dass nach Abschluss dieser Maßnahmen ein geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden sein muss. Die Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme muss dem Arbeitgeber außerdem zumutbar sein. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind u. a. bedeutsam Art und Ursache des Kündigungsgrundes, Dauer und Kosten der Schulung, Größe und wirtschaftliche Lage des Betriebs, Erfolgsaussichten der Maßnahme sowie zu erwartende Qualifikation des Arbeitnehmers.

Verweigert allerdings der Arbeitnehmer seine Zustimmung zu Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen, scheidet diese Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus. Der Widerspruch wird unbegründet.

Auch ohne Widerspruch des Betriebsrats/Personalrats muss eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmöglichkeiten bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG berücksichtigt werden.

10.4 Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen

Dieser Widerspruchsgrund setzt eine vorherige Zustimmung des Arbeitnehmers zu den geänderten Arbeitsbedingungen voraus. Der Arbeitnehmer kann allerdings mit seiner Zustimmung den Vorbehalt verbinden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist.

Auch ohne Widerspruch des Betriebsrats/Personalrats ist die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu berücksichtigen (vgl. Punkt 11.1 Besonderer Kündigungsschutz).

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