Achim Stapf, Christoph Tillmanns
Vom Sonderkündigungsschutz erfasst sind grundsätzlich auch außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigungen. Auch sie können erst ausgesprochen werden, wenn der Betriebs- oder Personalrat ihr vorab ausdrücklich zugestimmt hat.
Ein Kaufhausunternehmen schaffte in allen Niederlassungen und Betrieben die sog. "Aufsichten" ab. Alle betroffenen Arbeitnehmer erhielten Änderungskündigungen für die Tätigkeit einer Verkäuferin. Die Gehaltsdifferenz wurde als übertarifliche, allerdings anrechenbare Zulage gewährt. Das BAG stellte fest, dass dies auch zulasten einer Betriebsrätin galt, wobei der Arbeitgeber die Änderungskündigung als außerordentliche deshalb aussprechen könne, weil ihm ein Abwarten bis zum Ablauf des Sonderkündigungsschutzes nicht zuzumuten sei.
Bei der Prüfung, ob der wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung derart schwer wiegt, dass eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber unzumutbar ist, ist nicht auf die weitere absehbare Vertragsdauer (also z. B. auf den frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats, § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG), sondern auf die mangels ordentlicher Kündbarkeit des Betriebsrats konkret nicht einschlägige und daher "fiktive" Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung abzustellen. Für den Maßstab, ob eine außerordentliche Kündigung wegen eines Fehlverhaltens möglich ist, gelten auch für Mitglieder der Betriebsverfassung/Personalvertretung dieselben Maßstäbe wie für alle Arbeitnehmer. So muss einer außerordentlichen Kündigung nicht in jedem Fall zuerst eine Abmahnung vorausgehen. Vielmehr ist eine Abmahnung dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.
Der Betriebsratsvorsitzende ist bei einer Maschinenfabrik mit knapp 40 Mitarbeitern seit 9 Jahren als Schlosser beschäftigt. Er ist 47 Jahre alt, verheiratet und 4 Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Er verkaufte während der Schicht ohne Wissen und Erlaubnis des Arbeitgebers Schrott gegen Zahlung von 100 EUR. Zur Rede gestellt erklärte er, die 100 EUR wolle er der vom Betriebsrat geführten Sozialkasse zuführen. Das BAG hat entschieden, aus Sicht des Arbeitgebers spiele es keine entscheidende Rolle, ob das Geld einer Sozialkasse zugeführt oder für eigene private Zwecke verwendet werde. Das Vertrauen in die Redlichkeit des Betriebsratsvorsitzenden ist in beiden Fällen nachhaltig gestört. Daher handle es sich um eine schwere Pflichtverletzung, deren Rechtswidrigkeit dem Betriebsratsvorsitzenden ohne Weiteres erkennbar war, und bei der ihm klar war, dass eine Hinnahme seines Fehlverhaltens durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist. Daher erachtete das BAG eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung als gerechtfertigt.
Das BAG hat bezüglich des Vorwurfs gegenüber einem Mitglied des Betriebsrats zwischen Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis und Amtspflichtverletzung unterschieden.
Liegt eine Verletzung von Pflichten vor, die jeden Arbeitnehmer treffen kann, so ist die außerordentliche Kündigung möglich, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das BAG hat dabei darauf hingewiesen, dass eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist in diesem Fall wegen des Sonderschutzes aus § 15 KSchG ausgeschlossen ist.
Handelt es sich dagegen um eine reine Verletzung der Amtspflichten, so könne nur über § 23 Abs. 1 BetrVG das Ausschlussverfahren aus dem Betriebsrat betrieben werden.
Wenn es sich bei der Amtspflichtverletzung zugleich um eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten handelt, so komme die außerordentliche Kündigung in Betracht, wenngleich ein strengerer Maßstab als bei Nicht-Betriebsräten anzulegen sei.
Im konkreten Fall hat die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende während der Ortsabwesenheit des Vorsitzenden ein beim Betriebsrat eingegangenes, an den Vorsitzenden "persönlich" gerichtetes Schreiben des Betriebs geöffnet und gelesen. Das Schreiben enthielt mit der Einladung zum Wirtschaftsausschuss die Bilanz und einen Wirtschaftsplan. Die Stellvertreterin legte das Schreiben unverschlossen auf den Schreibtisch des Vorsitzenden. Die Kündigung wegen Verletzung des Briefgeheimnisses war in allen Instanzen als unwirksam angesehen worden, da das Fehlverhalten gerade durch die Übernahme von Aufgaben im Betriebsrat bedingt war.
Nach Ablauf der Amtszeit besteht ein nachwirkender Kündigungsschutz von 1 Jahr (§ 15 Abs. 1 KSchG). Er dient der "Abkühlung" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, weil es während der Amtszeit zur Auseinandersetzung durch die Mandatstätigkeit gekommen sein kann. Während des Zeitraums des nachwirkenden Kündigungsschutzes ist eine außerordentliche Kündigung allerdings ohne Zustimmung des Betriebsrats/Personalrats zulässig. Die Betei...