Liegt ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vor und ist auch ein anderer freier, zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden, bedarf dennoch die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer umfassenden Interessenabwägung. Abzuwägen ist zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers am Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung. Dabei sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und vernünftig gegeneinander abzuwägen. Daraus ergibt sich zugleich, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt. Insbesondere können die Parteien nicht vereinbaren, dass bestimmte Umstände oder bestimmteVerhaltensweisen eine Kündigung automatisch rechtfertigen. Dadurch würde das Kündigungsschutzgesetz umgangen. In jedem Einzelfall muss die Interessenabwägung ergeben, dass der Kündigungsgrund so gewichtig ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Dauer für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist. Dabei wird die Interessenabwägung vom Kündigungsgrund beeinflusst. Bei verhaltensbedingten Gründen steht das Arbeitgeberinteresse im Vordergrund, bei personen- und betriebsbedingten Gründen mehr das Arbeitnehmerinteresse.
Bei Mischtatbeständen (ein Kündigungssachverhalt berührt mehrere Kündigungsbereiche, ist z.B. personen- wie betriebsbedingt) richtet sich der Prüfungsmaßstab in erster Linie danach, aus welchem Bereich die Störung stammt.
Einer angestellten Lehrkraft im Bereich Sport, die nur eine unzureichende Ausbildung aufweist, wird gekündigt, weil der Schule nun ein ordnungsgemäß ausgebildeter Sportlehrer zugewiesen wird. Es liegt hierbei ein Mischtatbestand von personen- und betriebsbedingten Kündigungsgründen vor, bei dem der betriebsbedingte Grund überwiegt. Es stellt primär ein betriebliches Erfordernis dar, dass als Lehrer grundsätzlich Beamte oder zumindest Angestellte mit der für die Laufbahn vorgeschriebenen Ausbildung beschäftigt werden. (BAG, Urt. v. 17.05.1984 - 2 AZR 109/83)
Liegen mehrere von einander unabhängige Kündigungsgründe vor, ist zunächst zu prüfen, ob der jeweilige Kündigungsgrund für sich genommen geeignet ist, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Ist dies zu verneinen, sind die Gründe in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Möglicherweise lassen die unterschiedlichen Kündigungsgründe trotz ihrer Verschiedenheit Rückschlüsse auf bestimmte Eigenschaften oder negativ zu bewertende Einstellungen des Arbeitnehmers zu, wie z.B. schlechte Arbeitsmoral, generell leichtfertiger Umgang mit ihm anvertrauten wertvollen Maschinen des Arbeitgebers u.a.
Das Gebot der umfassenden Interessenabwägung schließt die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus. Hat jedoch der Arbeitgeber bei völlig gleichgelagerten Sachverhalten anderen Arbeitnehmern nicht gekündigt, ist dies ein Indiz dafür, dass er die Pflichtverstöße als solche nicht als Kündigungsgründe gewertet hat, die Gründe im jetzigen Fall also nur vorgeschoben sind und daher vom Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erwartet werden kann. Der Arbeitgeber hat in solchen Fällen darzulegen, warum die Interessenabwägung im jetzigen Fall anders als bei den früheren Fällen die Kündigung sozial rechtfertigt. Insbesondere können anderstgelagerte Begleitumstände wie z.B.Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand das unterschiedliche Vorgehen rechtfertigen. Besonders pointiert stellt sich das Problem bei der sog. herausgreifenden Kündigung. Haben mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig gleichartige Verstöße begangen und greift sich der Arbeitgeber einen heraus und kündigt ihm, hat er darzulegen und zu beweisen, warum gerade bei diesem Arbeitnehmer die Interessenabwägung die Kündigung rechtfertigt. Vermag er dies nicht, ist die Kündigung unwirksam (ArbG Regensburg, Urt. v. 23.4.1990 - 6 Ca 2717/89).