Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Streitgegenstand. Einstweilige Verfügung: Bewilligung von Pflegezeit
Leitsatz (amtlich)
Die Bewertung eines im einstweiligen Verfügungsverfahrens verfolgten Antrags auf Bewilligung von Pflegezeit richtet sich nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO.
Bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Interesses des Antrags steht dem Gericht ein Ermessensspielraum zu.
Dabei ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich das Gericht im Rahmen seiner Ermes-senentscheidung auch von der Bewertungsgröße des Monatsgehalts der klagenden Partei leiten lässt (in vorliegendem Fall = 2 Bruttomonatslöhne).
Normenkette
ZPO § 3; GKG § 53 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Beschluss vom 18.08.2010; Aktenzeichen 6 Ga 2/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 18. August 2010 – 6 Ga 2/10 – abgeändert.
Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert wird auf EUR 2.600,00 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers (Prozessbevollmächtigter der Verfügungsklägerin) richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gem. § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren verfolgte die Verfügungsklägerin im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, einen Antrag auf Bewilligung von Pflegezeit im Zeitraum 15. Juli 2010 bis 15. Januar 2011. Die Verfügungsklägerin ist bei der Verfügungsbeklagten seit 14. November 2009 als Sachbearbeiterin in der Buchhaltung befristet bis 31. Oktober 2010 angestellt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 22 Stunden und die monatliche Vergütung EUR 1.300,00 brutto. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 14. Juli 2010. Die Parteien kamen überein, dass die Verfügungsklägerin in der Zeit vom 15. Juli 2010 bis 31. Oktober 2010 Pflegezeit gem. § 3 Pflegezeitgesetz gewährt wird und damit der Rechtsstreit erledigt ist.
Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18. August 2010 den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 1.000,00 festgesetzt. Mit am 30. August 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf drei Monatsgehälter und damit EUR 3.900,00 festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30. August 2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat mit Verfügung vom 1. September 2010 den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13. September 2010 gegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach dem Wert der Beschwer (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert war gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO mit zwei durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen der Verfügungsklägerin zu bewerten und damit auf EUR 2.600,00 festzusetzen.
1. Der zu bewertende Antrag der Verfügungsklägerin auf Bewilligung von Pflegezeit im Zeitraum vom 15. Juli 2010 bis zum 15. Januar 2011 stellt einen vermögensrechtlichen Anspruch dar, den die Verfügungsklägerin im Wege einstweiliger Verfügung verfolgt hat. Der Wert wird gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Für die Bewertung des Antrags ist das wirtschaftliche Interesse der Verfügungsklägerin zum Zeitpunkt der Erhebung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung (§ 40 GKG) zu bewerten. Dabei ist zu beachten, dass mit dem Antrag auf Bewilligung von Pflegezeit nach § 3 Pflegezeitgesetz ein letztlich vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird. Der Anspruch folgt aus dem Arbeitsverhältnis in Verbindung mit dem Pflegezeitgesetz. Das Interesse der Verfügungsklägerin ist dabei darauf gerichtet, die Pflege ihrer pflegebedürften Mutter selbst weiter durchführen zu können. Die Verfügungsklägerin hat im Gegenzug für die vollständige Freistellung von der Arbeitspflicht auf ihr Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis „verzichten” wollen, indem sie ihr Arbeitsverhältnis zum Ruhen bringt bzw. ihre Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis durch die Inanspruchnahme der Pflegezeit suspendiert und damit auch die Vergütungspflicht der Verfügungsbeklagten endet (vgl. DFL/Böck 3. Auflage § 3 PflegeZG Rn. 11). Die Beschwerdekammer geht davon aus, dass im Rahmen der nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmenden Schätzung des Gebührenstreitwerts eine Anlehnung an die Bewertungsgröße des Monatsgehalts der verfügungsklagenden Partei geboten ist, wie die Beschwerdekammer dies bei zahlreichen anderen, aus dem Arbeitsverhältnis rührenden Ansprüchen mittlerweile angenommen hat, so etwa für Klagen betreffend die Erteilung oder Berichtigung eines Zwischen- oder Endzeugnisses (LAG Baden-Württemberg 22. Juni 2009 – 5 Ta 13/09 – LAGE GKG 2004 § 63 Nr. 2 = JurBüro 2009, 537; LAG Baden-Württemberg 8. Juni 2010 – 5 Ta 108/10), die Entfernun...