Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsschulbesuch während Arbeitsunfähigkeit. Unbegründete Klage auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung für Zeiten des Berufsschulbesuchs einer arbeitsunfähig erkrankten Auszubildenden
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG setzt voraus, dass der Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freigestellt wird.
2. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG wird die Ausbildungsvergütung gemäß § 17 BBiG fortgezahlt. Es besteht kein eigenständiger Zahlungsanspruch gegen den Ausbilder allein wegen der Teilnahme am Berufsschulunterricht.
3. Eine Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht nach § 15 BBiG kommt nur in Betracht, wenn der Auszubildende anderenfalls verpflichtet wäre, im Betrieb des Ausbildenden zu erscheinen. Besteht ein solche Pflicht nicht, etwa weil der Auszubildende arbeitunfähig erkrankt ist, kann er nicht nach § 15 BBiG für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freigestellt werden.
4. Nimmt ein arbeitsunfähig erkrankter Auszubildender nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzahlungsG trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit am Berufsschulunterricht teil, kann er mangels Freistellung nach § 15 BBiG für diese Tage keine Fortzahlung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG vom Ausbilder verlangen.
Normenkette
BBiG §§ 15, 17, 19 Abs. 1 Nr. 1; EFZG § 3 Abs. 1 S. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 24.07.2014; Aktenzeichen 7 Ca 124/14) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24. Juli 2014 (Az.: 7 Ca 124/14) abgeändert und die Klage abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Ausbildungsvergütung während Zeiten eines Berufsschulbesuchs.
Die am 00.00.1990 geborene, ledige und weiter nicht zum Unterhalt verpflichtete Klägerin stand aufgrund eines schriftlichen Ausbildungsvertrages vom 12. November 2011 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 3; I/3) bei der Beklagten, die ein Autohaus betreibt, in einem für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. August 2014 befristeten Ausbildungsverhältnis zur Kauffrau für Bürokommunikation. Im zweiten Ausbildungsjahr betrug die monatliche Ausbildungsvergütung EUR 638,00 brutto, im dritten Ausbildungsjahr EUR 710,00 brutto.
Die Klägerin war seit Mai 2013 bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses aufgrund einer fristlosen Eigenkündigung unter Berufung auf gesundheitliche Gründe am 21. Januar 2014 (vgl. I/4) aus psychischen Gründen durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und legte der Beklagten entsprechende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Nach dem Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums erbrachte die Beklagte keine Leistungen mehr an die Klägerin, die in der Folgezeit von ihrer Krankenkasse seit dem 26. Juni 2013 Krankengeld bezog. Trotz der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit besuchte die Klägerin, die nicht mehr bei der Beklagten erschien, in dieser Zeit nach ihren Angaben die Berufsschule. Nähere Einzelheiten hierzu sind zwischen den Parteien streitig.
Die Krankenkasse der Klägerin teilte dieser mit Schreiben vom 15. Januar 2014 (vgl. I/34) mit, dass sie für die Tage, an denen sie die Berufsschule besucht habe, keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Nach Auskunft der Berufsschule seien dies im Zeitraum 15. Mai 2013 bis 17. Dezember 2013 insgesamt 44 Tage, um welche das Krankengeld gekürzt werde.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 26. Februar 2014 (vgl. I/5), die sich auch auf vier weitere Berufsschultage im Januar 2014 bezieht, begehrt die Klägerin mit ihrer am 19. März 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 28. März 2014 zugestellten Klage Zahlung von Ausbildungsvergütung für die Zeiten des Besuchs der Berufsschule.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe in Absprache mit den Ärzten und Therapeuten während der Zeit ihrer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit die Berufsschule besucht. Darüber habe ihr Vater auch der Beklagten über einen externen Mitarbeiter Kenntnis gegeben. Da die Krankenkasse für diese Zeit das Krankengeld gekürzt habe, müsse die Beklagte Ausbildungsvergütung zahlen. Die Erkrankung habe ihre Ursache in der Ausbildungssituation im Betrieb der Beklagten und habe sich im Wesentlichen auf die betriebliche Ausbildung beschränkt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Zeitdauer der Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht. Die Klägerin habe - wie im Schreiben der Krankenkasse angegeben - in der Zeit vom 15. Mai 2013 bis zum 17. Dezember 2013 die Berufsschule an 44 Tagen besucht, was von der Beklagten zu vergüten sei. Das Bestreiten der Beklagten sei unsubstantiiert.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 1.488,85 brutto zu za...