Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfache und ergänzende Vertragsauslegung. Anspruch auf zeitanteilige Tantieme bei Ausscheiden während des Bezugsjahres
Leitsatz (amtlich)
Scheidet der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums einer ihm zugesagten Vergütungsleistung aus, steht ihm grundsätzlich die Leistung zeitanteilig zu, nämlich im Verhältnis seiner Beschäftigungszeit im Bezugszeitraum zu dem gesamten Bezugszeitraum (BAG, Urteil vom 03.06.1958, AP Nr. 9 zu § 59 HGB, Kammerurteil vom 27.06.1996, NZA-RR 1996, 441).
Normenkette
BGB §§ 133, 157; ZPO § 254
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 27.11.2002; Aktenzeichen 10 Ca 5461/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Düsseldorf vom27.11.2002 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger der sog. EVA-Bonus für den Zeitraum zwischen seinem vorzeitigen Ausscheiden (31.01.2001) und dem ursprünglich vorgesehenen Ausscheidenstermin (30.06.2001) zusteht.
Der Kläger, Volljurist, war seit dem 01.10.1996 als Manager Human Resources bei der Beklagten beschäftigt. Seine monatliche Grundvergütung belief sich zuletzt auf DM 28.350,00 brutto. Außerdem hatten die Parteien zum 01.01.2000 die Teilnahme des Klägers am Incentive System „Economic Value Added” (EVA) vereinbart. Danach stand dem Kläger abhängig von der Erreichung des jährlichen Unternehmensziels nach Feststellung des Jahresabschlusses ein variabler Bonus zu.
Am 10.08.2000 schlossen die Parteien eine Auflösungsvereinbarung. Die Vereinbarung bestimmt – soweit hier von Interesse – folgendes:
- Der zwischen den Parteien bestehende Anstellungsvertrag wird zum 30.06.2001 einvernehmlich auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet.
- Bis zum Vertragsablauf erhält Herr G. seine vertragsgemäßen Bezüge incl. der für diesen Zeitraum bestehenden Regelung nach EVA. Der Betrag gemäß EVA wird komplett ausgezahlt, ohne Berücksichtigung der Bonus- Bank.
- Als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält Herr G. im Sinne der §§ 9, 10 KSchG und § 3 Ziffer 9 EStG, beziehungsweise unter Anwendung etwaiger steuerlicher Begünstigungsvorschriften, einen Betrag von DM 250,000,–, davon DM 16.000,– steuerfrei.
Für den Fall, dass Herr G. vor dem 30.06.2001 den Arbeitsvertrag vorzeitig auflöst, um eine Position in einem anderen Unternehmen anzutreten, ist er an keine Kündigungsfrist gebunden. Für jeden Monat der vorzeitigen Auflösung erhält Herr G. eine zusätzliche Abfindung von DM 28.350,– brutto pro Monat.
…
- Mit Erfüllung der vorstehenden Regelung sind alle Ansprüche von Herrn G. aus dem Anstellungsverhältnis und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten.
Der Kläger löste gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2001 auf. Während die Beklagte daraufhin erklärte, auch den EVA-Bonus zu diesem Zeitpunkt abzurechnen, forderte der Kläger die Abrechnung und Zahlung des Bonus zum 30.06.2001.
Im Juli 2002 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf die Beklagte verklagt, Auskunft über den für Februar bis Juni 2001 angefallenen EVA-Bonus zu erteilen, den Bonusbetrag abzurechnen und auszuzahlen.
Durch Urteil vom 27.11.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er meint, dass das Arbeitsgericht die Auflösungsvereinbarung vom 10.08.2000 nicht richtig bzw. unzureichend ausgelegt habe und dass sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung die Verpflichtung der Beklagten zur Bonuszahlung ergebe.
Die Beklagte tritt der Auffassung des Klägers entgegen und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die Berufung findet in nichts ihre Rechtfertigung. Denn die Auflösungsvereinbarung vom 10.08.2000 schließt einen Bonus-Anspruch des Klägers für die Zeit nach dem 31.01.2001 aus. Dies folgt aus dem Wortsinn der Vereinbarung ebenso wie aus den Gesamtumständen. Jede andere Interpretation widerspricht „Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte” (§ 157 BGB).
1. Der Auskunftsanspruch des in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellten Handlungsgehilfen (§§ 59, 65, 87 c HGB) ist ein Hilfsanspruch. Hauptanspruch ist jeweils der Anspruch auf Provision, Tantieme (Gewinnbeteiligung) oder auf eine andere Erfolgsbeteiligung. Steht fest, dass der Hauptanspruch gar nicht entstanden ist, so wird der Hilfsanspruch gegenstandslos, und es ist die Klage insgesamt abzuweisen (BAG, Urteil vom 05.09.1995, 9 AZR 660/94, AP Nr. 16 zu § 196 BGB, Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 254 Rz. 30). Dann kommt es nicht darauf an, dass, wenn bei einer Stufenklage das erstinstanzliche Gericht die Klage insgesamt abgewiesen hat und das Berufungsgericht entsprechend der ersten Stufe ...