Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Zugangsbehinderungen zu einem rechtmäßig bestreiktem Betrieb. Betriebsblockade bei rechtmäßigem Streik. Eilantrag der Arbeitgeberin gegen unverhältnismäßige Zugangsbehinderung

 

Leitsatz (amtlich)

Auch im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks sind Betriebsblockaden als Eigentumsverletzung und Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Streikrechts, und zwar auch bei Zulassung effektiver Kampfmittel, in der Regel rechtswidrig. Es kann aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit rechtlich zulässig sein, den Zugang zu einem bestreikten Betrieb für Arbeitswillige und Dritte für einen angemessenen Zeitraum - hier: maximal 15 Minuten - etwa durch Bildung von Menschenketten zu behindern.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 12; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 14.11.2012; Aktenzeichen 26 Ga 10/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. November 2012 - 26 Ga 10/12 - mit dem zugrunde liegenden Beschluss vom 6. November 2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der einstweiligen Verfügung werden die Verfügungsbeklagten zu 1. und 2. bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,-- verpflichtet,

es zu unterlassen, während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen im Werk Hamburg der Verfügungsklägerin den Personaleingang, den Eingang zum Bürogebäude, die Haupteinfahrt D.-Weg 15, die zwischen den Gebäuden D.-Weg 15 und 13 sowie die an der Grenze zum Grundstück D.-Weg 13 befindlichen Ein- und Ausfahrten sowie die Einfahrt zum Firmenparkplatz D.-Weg 15 zur Verhinderung des Zutritts und Ausgangs von Arbeitnehmern, Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen auf Dauer zu blockieren und/oder im Einzelfall über eine Dauer von 15 Minuten hinausgehend zu behindern oder blockieren und im Einzelfall über eine Dauer von 15 Minuten hinausgehend behindern zu lassen, insbesondere indem Streikende oder Streikposten

- vor den Eingängen oder Einfahrten Menschenketten bilden;

- Fahrzeuge oder Anhänger in oder vor den Einfahrten abstellen.

Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 50%, die Beklagten als Gesamtschuldner 50%.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Eilverfahren über die Zulässigkeit von Streikmaßnahmen.

Die nicht tarifgebundene Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) stellt an den Standorten Hamburg und R. Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff her. Sie beschäftigt knapp 200 Arbeitnehmer, davon ca. 130 am Standort Hamburg und ca. 70 im Werk R.. Es ist ein gemeinsamer Betriebsrat gebildet.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. (nachfolgend: Beklagte zu 1.) ist eine im Betrieb der Klägerin vertretene Gewerkschaft. Beim Verfügungsbeklagten zu 2. (nachfolgend: Beklagter zu 2.) handelt es sich um den zuständigen Gewerkschaftssekretär der Beklagten zu 1. und Streikleiter im derzeit andauernden Arbeitskampf sowohl in Hamburg wie auch in R..

Seit Mai 2012 verhandeln die Geschäftsleitung und die gewerkschaftliche Tarifkommission über einen Haustarifvertrag. Am 22. Oktober 2012 um ca. 10:30 Uhr brach der Beklagte zu 2. die laufenden Verhandlungen ab, erklärte diese für gescheitert und rief zu einem Warnstreik auf, der am gleichen Tag von 12 Uhr bis 18 Uhr stattfand.

Am 29./30. Oktober 2012 führte die Tarifkommission eine Urabstimmung durch, bei der 89,7 Prozent der an der Abstimmung beteiligten Gewerkschaftsmitglieder für einen unbefristeten Streik stimmten. Seit dem 1. November 2012 wird die Klägerin - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - bestreikt. Ca. 100 Arbeitnehmer haben die Arbeit niedergelegt.

Zum Betriebsgelände der Klägerin in Hamburg gehören das Grundstück D.-Weg 15 (Bürogebäude und Produktion), daneben das Grundstück D.-Weg 13 (Lager und Leerstand) und gegenüber das Grundstück J.-Weg 20 (Lager).

Mitarbeiter der Verwaltung, Kunden und Besucher betreten den Betrieb durch die verglaste Eingangstür des Bürogebäudes. Dieser Eingang wird über den davor liegenden Parkplatz betreten, der zum Firmengelände gehört. Der Personaleingang für gewerbliche Mitarbeiter befindet sich an der Südseite des Gebäudes D.-Weg 15. Dorthin gelangt man nur über die dort verlaufende Haupteinfahrt, die zugleich als Einfahrt für LKW und Lieferanten dient. Die Haupteinfahrt ist ca. 5 m breit und mit einem nach innen schwenkenden Tor aus Metallstreben versehen. Zwei schmalere Ein- bzw. Ausfahrten mit Toren befinden sich zwischen den Gebäuden D.-Weg 13 und 15 und ein weiteres Tor (Rolltor) an der Nordseite des Grundstücks D.-Weg 13.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Rahmen ihrer Antragsschrift durch Vorlage von vier eidesstattlichen Versicherungen ihrer Arbeitnehmer S. P2 (Bl. 13 der Akte), T. L. (Bl. 14 der Akte), M. U....

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