Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung von Besatzungsmitgliedern eines unter ausländischer Flagge fahrenden Seeschiffes wegen Besetzung durch eine Crewing-Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung eines Korrespondentreeders, die von ihm bereederten unter ausländischer Flagge fahrender Schiffe nicht mehr mit eigenen Arbeitnehmern zu besetzen sondern durch eine ausländische Crewing-Gesellschaft besetzen zu lassen, ist eine nur der eingeschränkten Mißbrauchskontrolle durch der Arbeitsgerichte unterliegende organisatorische Maßnahme, die dazu führt, daß für die Beschäftigung der eigenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr besteht mit der Folge, daß deren Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen soweit gerechtfertigt ist.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 02.11.1993; Aktenzeichen S 5 Ca 160/93) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. November 1993 – S 5 Ca 160/93 – wird einschließlich der Hilfsanträge zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgerechten Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, seit 1978 als Kapitän beschäftigt.
Im Herbst 1991 bereederte die Beklagte als Korrespondentreeder die Schiffe von 14 Partenreedereien. Im Jahr 1991 bis zum 17. März 1992 wurden sämtliche für die Beklagte fahrende Schiffe ausgeflaggt. Danach beschäftigte die Beklagte auf den ausgeflaggten Schiffen, die sie weiterhin als Korrespondentreeder des Bare-Boat-Charterers bereederte, den Kapitän, den 1. Nautischen und den 1. Technischen Offizier im Wege der Ausstrahlung weiter. Im übrigen wurden die Schiffe über eine Crewing-Firma mit ausländischen Seeleuten, die nicht zu den für die Deutsche Seeschiffahrt geltenden Heuerbedingungen, sondern zu wesentlich geringeren Heuern beschäftigt wurden, besetzt.
Im Zuge der damaligen Ausflaggung vereinbarte die Beklagte am 2. September 1991 einen Interessenausgleich (Bl. 77–80 d.A.) und einen Sozialplan (Bl. 82–85 d.A.).
In dem Interessenausgleich ist vorgesehen, daß die auf den auszuflaggenden Schiffen beschäftigten Besatzungsmitglieder entlassen werden mit Ausnahme der leitenden Ingenieure und der ersten nautischen Offiziere. Diese sollten von der Beklagten im Wege der sogenannten „Ausstrahlung” zu den bisherigen Bedingungen weiterbeschäftigt werden. Weiter ist unter Nr. 11 des Interessenausgleichs vorgesehen, daß die Rechtsstellung des See-Betriebsrates durch die Ausflaggung unberührt bleibt, auch soweit die Zuständigkeit nach den Grundsätzen „der Ausstrahlung” für die weiterbeschäftigten Besatzungsmitglieder fortbesteht. Der Interessenausgleich war für die Zeit bis zum 31. Dezember 1993 abgeschlossen.
Der Sozialplan vom gleichen Tage sieht unter anderem Abfindungsansprüche für die gekündigten Arbeitnehmer vor. Unter Nr. 2 des Sozialplanes ist klargestellt, daß Kapitäne keine Ansprüche aus diesem Sozialplan haben.
Die Beklagte hat sodann 1993 beschlossen, zukünftig keine Arbeitsplätze mehr zu deutschen Heuerbedingungen auf den von ihr weiter als Korrespondentreeder bereederten Schiffen anzubieten, sondern sämtliche Funktionen einschließlich des Kapitäns und des 1. Nautischen und 1. Technischen Offiziers über eine Crewing-Firma mit Sitz in Zypern neu zu besetzen. Im Zuge dieser Maßnahme kündigte die Beklagte dem Kläger das Heuerverhältnis mit Schreiben vom 12. März 1993 fristgemäß zum 30. September 1993. Gleichzeitig kündigte die Beklagte allen übrigen bei ihr noch beschäftigten Kapitänen und 1. Offizieren das Anstellungsverhältnis.
Für alle mit Schreiben vom 12. März 1993 zum 30. Juni bzw. 30. September 1993 gekündigten 1. Offiziere hat die Beklagte mit dem ehemaligen See-Betriebsrat unter dem 20. Januar 1994 einen Sozialplan vereinbart.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Sie verstoße zumindest gegen Treu und Glauben, da sich die Beklagte ursprünglich verpflichtet habe, Kapitäne und 1. Offiziere weiterzubeschäftigen. Es sei nicht ersichtlich, daß sich seit dieser Verpflichtung die Umstände grundlegend geändert hätten. Im übrigen sei die Absicht der Beklagten, nämlich die Einsparung von Personalkosten als solche kein Grund, die eine Kündigung sozial im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz rechtfertigen könnte.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Heuerverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 12. März 1993 nicht zum 30. September 1993 aufgelöst wird, sondern über dieses Datum hinaus unverändert fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30. September 1993 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kapitän weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, es handele sich um eine unternehmerische Maßnahme, die nur im Mißbrauchsfalle der Nachprüfung durch die Arbeitsgerichte u...