Leitsatz (amtlich)
Ein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung liegt nicht vor, wenn Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung trifft, seine Arbeitsplätze nicht mehr mit eigenen Arbeitnehmern zu besetzen, sondern von einer Crewing-Gesellschaft im Ausland besetzen zu lassen, die sich vertraglich verpflichtet hat, dem Arbeitgeber das erforderliche zur Verfügung zu stellen.
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 18.11.1993; Aktenzeichen S 14 Ca 149/93) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. November 1993 – S 14 Ca 149/93 – abgeändert:
- Es wird festgestellt, daß das Heuerverhältnis der Parteien nicht durch die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 12. März 1993 zum 30. September 1993 auf gelöst ist, sondern fortbesteht.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 30. März 1993 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristgemäße Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vom 12. März 1993 zum 30. September 1993.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 10. Juli 1973 als erster Nautischer Offizier und seit dem 08. Juni 1977 als Kapitän beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Seeschiffahrtsunternehmen. Die von ihr bereederten Schiffe gehören Partenreedereien, für die die Beklagte Korrespondentreederin ist.
Ab 1987 wurden die Schiffe nach und nach im Wege der … Charter nach Antigua ausgeflaggt. Bis September 1991 bereederte die Beklagte noch fünf Schiffe unter deutscher Flagge. Am 02. September 1991 vereinbarten die Beklagte und der Seebetriebsrat im Hinblick auf die geplante Ausflaggung auch dieser letzten Schiffe einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Das letzte Schiff wurde Mitte März 1992 unter Antigua-Flagge verbracht. Es wurden alle Heuerverhältnisse gekündigt mit Ausnahme der Heuerverhältnisse der Kapitäne, 1. Nautischen Offiziere und 1. Technischen Offiziere. Diese wurden von der Beklagten, die weiterhin als Korrespondentreederin die ausgeflaggten Schiffe bereederte, im Wege der Ausstrahlung weiterbeschäftigt. Auf die Heuerscheine vom 10. Januar 1991 (Blatt 170 der Akte) und 03. Januar 1992 (Blatt 169 der Akte) wird Bezug genommen. Im übrigen wurden die Schiffe durch eine zypriotische Crewing-Firma besetzt.
Im Februar 1993 beschlossen die Beklagte bzw. die Partenreedereien, die verbliebenen Positionen der Kapitäne, 1. Nautischen Offiziere und 1. Technischen Offiziere nicht mehr durch die Beklagte, sondern durch eine ausländische Crewing-Firma besetzen zu lassen, verbunden mit einer Umflaggung unter Liberia-Flagge.
Am 14. Dezember 1989 schloß die Partenreederei … mit der Crewing-Gesellschaft … einen Crewing-Vertrag (vgl. Anlage Bf 1 nebst Übersetzung, Blatt 142 ff. der Akte). Gleichlautende Verträge wurden mit den anderen Partenreedereien geschlossen. Am 17. März 1993 unterbreitete die Firma … ein Angebot für die Besetzung der Positionen des Kapitäns, des 1. Nautischen Offiziers und des 1. Technischen Offiziers auf den von der Beklagten weiter als Korrespondentreeder bereederten Schiffe (vgl. Anlagenkonvolut Bf 2 incl. Übersetzung, Blatt 153 ff. der Akte). Entsprechend diesen Angeboten wurden Verträge abgeschlossen.
Die Beklagte selbst steuert weiterhin den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb. Sie bestimmt die Ladung, die Prachtraten und den Einsatz der Schiffe in bezug auf den Terminplan und die Häfen. Insoweit steht die Beklagte auch zwangsläufig in ständigem Kontakt zu den jeweiligen Kapitänen der Schiffe und erteilt ihnen die für die Umsetzung der Entscheidungen der Beklagten notwendigen Weisungen.
Die Beklagte kündigte sämtliche Heuerverhältnisse mit den Kapitänen, 1. Nautischen Offizieren und 1. Technischen Offizieren zum 30. Juni 1993 oder 30. September 1993.
Mit Schreiben vom 12. März 1993 kündigte die Beklagte das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger zum 30. September 1993 (Blatt 4 der Akte). Der Kündigung war ein Begleitschreiben beigefügt, in dem die Beklagte die wirtschaftlichen Gründe für die getroffene Entscheidung darlegte und anbot, behilflich zu sein, neue Heuerverträge mit der Crewing-Gesellschaft auf Zypern einzugehen.
Der Kläger hat vorgetragen, die Entscheidung der Beklagten, zukünftig keine Arbeitsplätze mehr zu Ausstrahlungsbedingungen anzubieten, sei keine unternehmerische Entscheidung. Sie sei gleichfalls keine Folge des Rechts zum Flaggenwechsel. Der jetzigen Entscheidung sei der Rückgriff auf frühere Ausflaggungsbeschlüsse schon deswegen versagt, weil diese stets mit der Weiterbeschäftigung von Kapitänen und Offizieren/Ingenieuren verbunden gewesen sei. Die Beklagte sei darauf zu verweisen, daß sowohl die Arbeitsplätze auf den weiteren von ihr bereederten Schiffen vorhanden seien und die Weiterbeschäftigung zu Ausstrahlungsbedingungen weiterhin erfolgen könne.
Hilfsweise hat der Kläger ein...