Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung im Beschlussverfahren. Rechtsanwaltskosten. Erforderlichkeit von Beschlussverfahren. ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats. Heilung von unwirksamen Betriebsratsbeschlüssen. Gegenstand des Betriebsratsbeschlusses
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein wirksamer Betriebsratsbeschluss ist sowohl zur Verfahrenseinleitung als auch zur wirksamen Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich. Fehlt es daran, ist der Betriebsrat gerichtlich nicht wirksam vertreten und ein Prozessrechtsverhältnis kommt nicht zustande. Die für den Betriebsrat gestellten Anträge sind als unzulässig abzuweisen.
2. Ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss erfordert, dass der Beschluss nach § 33 Abs. 1 BetrVG mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst wird. Ein Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt, § 33 Abs. 2 BetrVG. Betriebsratsbeschlüsse können auch grundsätzlich nur auf einer ordnungsgemäßen Sitzung des Betriebsrats gefasst werden. Die Beschlussfassung setzt insoweit eine ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung voraus, § 29 Abs. 2 und 3 BetrVG.
3. Die Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann durch einen ordnungsgemäßen späteren Beschluss geheilt werden, wenn dieser noch vor Erlass einer den Antrag als unzulässig zurückweisenden Prozessentscheidung gefasst wird.
Normenkette
BetrVG § 29 Abs. 2, § 33 Abs. 1-2, § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Beschluss vom 27.09.2006; Aktenzeichen 3 BV 19/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 27.09.2006 – 3 BV 19/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten über einen Freistellungsanspruch des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten aus vorangegangenen außergerichtlichen und arbeitsgerichtlichen Verfahren.
Im Betrieb der Arbeitgeberin, einem Betrieb der Polstermöbelherstellung, sind ca. 95 Arbeitnehmer beschäftigt.
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb gebildete fünfköpfige Betriebsrat, der aus den Mitgliedern M1, L2, B7, Z1 und E3 besteht. Seit der Betriebsratswahl vom 23.03.2006 ist für das Betriebsratsmitglied E3 Herr P2 Mitglied im Betriebsrat. Betriebsratsvorsitzender ist Herr M1.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Verpflichtung der Arbeitgeberin, Kostenrechnungen der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats Nr. 66 und 129 vom 17.03.2006 bzw. 12.06.2006, die ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren betrafen, zu begleichen, ferner die Begleichung der Rechnung Nr. 75 vom 20.03.2006 für ein Verfahren über die Einstellung von Leiharbeitnehmern, der Rechnung Nr. 133 vom 14.06.2006 wegen eines Verfahrens über Sachmittel sowie der Rechnungen Nr. 141 und 142 vom 03.07.2006, das ein gerichtliches Verfahren wegen der im Betrieb durchgeführten Zeiterfassung betraf.
Anfang des Jahres 2006 hatte die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 12.01.2006 darüber informiert, dass die Näherei/Vliesabteilung nicht kostendeckend arbeitete und man nicht umhin komme, diese beiden Abteilungen aus Kostengründen und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit aufzulösen (Bl. 11 d.A. 2 BV 6/06 Arbeitsgericht Paderborn). Mit Schreiben vom 13.01.2006 (Bl. 94 d.A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, lud der Betriebsratsvorsitzende daraufhin zu einer Betriebsratssitzung am 17.01.2006 ein. Auf der Betriebsratssitzung vom 17.01.2006 beschloss der Betriebsrat, wegen dieser Maßnahmen mit dem Arbeitgeber über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln und im Falle des Scheiterns die Einigungsstelle anzurufen und seine Verfahrensbevollmächtigte mit der Vertretung zu beauftragen (Bl. 4 ff. d.A.). Am 13. bzw. 18.01.2006 hatte der Betriebsratsvorsitzende der Verfahrensbevollmächtigten eine Prozessvollmacht wegen „Betriebsänderung §§ 111, 112 BetrVG, Ankündigung vom 12.01.2006, Interessenausgleich/Sozialplan/ Einigungsstelle und alle notwendigen außergerichtlichen/gerichtlichen Verfahren” erteilt (Bl. 6 d.A.). Mit Schreiben vom 18.01.2006 (Bl. 7 d.A.) forderte die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Arbeitgeberin daraufhin zu Verhandlungen bezüglich eines Interessensausgleichs und eines Sozialplans auf.
Auf einer weiteren Betriebsratssitzung vom 25.01.2006 überreichte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dem Betriebsrat eine Mitarbeiterliste, in der insgesamt 16 Arbeitnehmer der Abteilung Näherei/Vliesabteilung aufgeführt sind.
Mit Schreiben vom 01.02.2006 (Bl. 35 d.A.) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass sie nicht in Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans eintreten wolle, da es nach den ihrerseits durchgeführten weiteren Prüfungen vermutlich nur zu „einigen betriebsbedingten Beendigungen von Arbeitsverhältnissen” k...