Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugangsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb. Verwirkung des Zutrittsrechts für Beauftragte der Gewerkschaft. Beleidigung des Geschäftsführers und des Managements des Arbeitgebers durch Gewerkschaftsbeauftragten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die im Betrieb vertretene Gewerkschaft verliert ihr Zugangsrecht aus § 2 Abs. 2 BetrVG lediglich, wenn ein Fall unzulässiger Rechtsausübung vorliegt. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber einem bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten aus Gründen, die in dessen Person liegen, den Zutritt zum Betrieb verweigern.

2. Ein Missbrauch der Befugnisse der Gewerkschaft führt zum Wiederaufleben des Hausrechts des Arbeitgebers. Die missbräuchliche Rechtsausübung kann darin liegen, dass ein bestimmter Gewerkschaftsbeauftragter bereits wiederholt im Betrieb seine gesetzlichen Aufgaben eindeutig überschritten hat, etwa durch parteipolitische Propaganda im Betrieb, Aufforderung zur Arbeitsniederlegung außerhalb eines legalen gewerkschaftlichen Streiks, Gefährdung der Betriebssicherheit, oder den Arbeitgeber, dessen Vertreter oder auch Arbeitnehmer grob beleidigt hat und eine Wiederholung zu befürchten steht.

 

Normenkette

BetrVG § 2 Abs. 2; GG Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; BGB § 242; ArbGG §§ 2a, 10, 80, 83 Abs. 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Beschluss vom 20.06.2007; Aktenzeichen 1 BV 6/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 20.06.2007 – 1 BV 6/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin S5 den Zugang zu ihrem Betrieb zu gewähren.

Der Gewerkschaftssekretär S5 ist einer von drei Mitarbeitern der I1 M1, der Antragstellerin, und erster Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle D2 und damit zuständiger Fachsekretär für den Betrieb der Arbeitgeberin, einem Betrieb der Metallindustrie mit über 1.200 Mitarbeitern.

Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr R2 K1, ist Präsident des Fußballvereins B6 M3.

Seit dem Jahre 2002/03 entschied die Arbeitgeberin, Auszubildende nur noch bedarfsorientiert auszubilden. Die bisher von der Arbeitgeberin betriebene Lehrwerkstatt wurde geschlossen, eine gewerbliche Ausbildung wurde nicht mehr angeboten.

Ob der erste Bevollmächtigte der Antragstellerin, Herr S5, den Geschäftsführer der Arbeitgeberin auf der Betriebsversammlung vom 25.09.2004 als „Oberguru aus M3” bezeichnet hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Aufgrund des Verhaltens von Herrn S5 wandte sich die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 30.11.2004 (Bl. 117 d.A.) an die Antragstellerin. Das Schreiben blieb jedoch unbeantwortet.

Im Dezember 2004 erhielt Herr S5 von der Arbeitgeberin zu Weihnachten eine Grußkarte verbunden mit dem Dank für die bisherige gute Zusammenarbeit.

Auf der Betriebsversammlung der Arbeitgeberin vom 18.11.2006 sprach der zuständige Fachsekretär der Antragstellerin, Herr S5, erneut. Welche konkreten Äußerungen Herr S5 auf dieser Betriebsversammlung gemacht hat, ist zwischen den Beteiligten streitig, sie streiten insbesondere darüber, ob der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dabei grob beleidigt wurde.

Mit Schreiben vom 29.11.2006 (Bl. 16 ff.d.A.) erteilte die Arbeitgeberin Herrn S5 daraufhin ein Hausverbot. Die Antragstellerin wies dieses Hausverbot mit Schreiben vom 12.12.2006 (Bl. 22 d.A.) zurück. Mit Schreiben vom 14.12.2006 (Bl. 3 d.A.) wurde das erteilte Hausverbot wiederholt und Herr S5 aufgefordert, das Betriebsgelände nicht mehr zu betreten.

Die Antragstellerin leitete daraufhin am 15.01.2007 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein, mit der sie die Aufhebung des gegenüber Herrn S5 ausgesprochenen Hausverbots und die Gewährung des Zutritts zum Betrieb geltend machte.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, das gegenüber Herrn S5 ausgesprochene Hausverbot müsse aufgehoben werden. Herr S5 habe weder unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt noch den Geschäftsführer persönlich beleidigt. Dem Geschäftsführer sei auch kein strafbares Verhalten vorgeworfen worden, der Betriebsfrieden sei durch die Rede auf der Betriebsversammlung vom 18.11.2006 nicht gestört worden.

Im Einzelnen habe Herr S5 auf der Betriebsversammlung vom 18.11.2006 lediglich folgende Ausführungen gemacht:

  • „Wir können nur hoffen, dass B6 M3 nicht absteigt. Es kann ja durchaus sein. Ich habe die Befürchtung, dass Herr K1 dann mehr den Fußball im Kopf hat als die Ausbildung. Wenn G1 absteigen würde, dann müsste viel Geld in den Verein gesteckt werden für die Wiederaufstieg und teure neue Spieler.”
  • „In Lippe fehlen mehr als 1.000 Ausbildungsplätze. Die Firma I3 ist das zweitgrößte Metallunternehmen und hat eine Verantwortung für die Region und die Jugend. Statt mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, wird im Gegenteil die gewerbliche Ausbildung komplett eingestellt. Alle wissen, dass der Weg falsch ist, aber nichts wird geändert. Ic...

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