Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweis- und Aufklärungspflichten der Arbeitgeberin bei der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung. Schadensersatzklage eines Betriebsrentners bei fehlendem Hinweis auf eine Gesetzesänderung zur Beitragspflicht von Kapitalzahlungen aus Entgeltumwandlung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Verlangt der Arbeitnehmer, einen bestimmten Teil seiner künftigen Entgeltansprüche nach §1a BetrAVG umzuwandeln, können den Arbeitgeber Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen (hier: Hinweis auf eine anstehende Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V), deren Verletzung Schadensersatzansprüche begründen können.
2. Überträgt der Arbeitgeber die Information und Beratung über den von ihm gewählten Durchführungsweg einem Kreditinstitut, ist dieses als Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 Satz 1 BGB anzusehen.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1; SGB V § 229 Abs. 1 S. 3; BetrAVG § 1a; BGB § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, §§ 278, 278 S. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 11.05.2017; Aktenzeichen 3 Ca 177/17) |
ArbG Dortmund (Aktenzeichen 3 Ca 852/17) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.05.2017 - 3 Ca 177/17 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger 1.253,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2016 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den weiteren Schaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihn bei Abschluss der Vereinbarung über die Entgeltumwandlung vom 23.09.2003 nicht über die bevorstehende Beitragspflicht von einmaligen Kapitalleistungen aus einer betrieblicher Altersversorgung ab dem 01.01.2004 aufgeklärt hat, zu ersetzen, insbesondere die von ihm ab dem 01.01.2017 weiterhin zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung.
Der 1950 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.10.1983 bis zum 30.11.2014 bei der Beklagten angestellt. In dem hier relevanten Zeitraum ab dem Jahr 2003 lag sein Arbeitsentgelt durchgängig deutlich oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung. Einzelheiten ergeben sich aus einer tabellarischen Übersicht auf Aktenblatt 34.
Die Beklagte ist Mitglied in der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dadurch an die für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträge gebunden. Am 18.02.2003 haben die VKA und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen "Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer im kommunalen Öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) geschlossen, der rückwirkend zum 01.01.2003 in Kraft getreten ist. Darin wird auf Grundlage des § 17 Abs. 5 BetrAVG für die vom tariflichen Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer die Möglichkeit der Entgeltumwandlung eröffnet.
Unter § 6 TV-EUmw/VKA heißt es:
"§ 6
Durchführungsweg
1Die Entgeltumwandlung im Rahmen der durch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorgesehenen Durchführungswege ist vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 bei öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen durchzuführen. 2Der Arbeitgeber kann im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach Satz 1 auch von der Sparkassen-Finanzgruppe oder den Kommunalversicherern angebotene Durchführungswege bestimmen. 3Durch landesbezirklichen Tarifvertrag können bei Bedarf abweichende Regelungen zu den Sätzen 1 und 2 getroffen werden.
Die Beklagte hat nach § 6 Satz 2 TV-EUmw/VKA bestimmt, für Entgeltumwandlungsvereinbarungen den Durchführungsweg über die "neue leben Pensionsverwaltung AG", die zur Sparkassenfinanzgruppe gehört, zu wählen. Zu diesem Zweck schloss sie am 20.03.2003 mit dieser einen "Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse bzw. eine Direktversicherung". Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Aktenblatt 85 - 86 Bezug genommen.
Am 09.04.2003 fand auf Einladung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats eine Betriebsversammlung statt, in der ein Mitarbeiter der Sparkasse M (heute: Sparkasse B), nämlich deren "Fachberater für betriebliche Altersversorgung" C, über Fragen der Entgeltumwandlung informierte. Im Einladungsschreiben wurde dies als Tagesordnungspunkt 3 "Die Sparkasse M informiert zu dem Thema: Entgeltumwandlung über eine Pensionskasse (Betriebsrente) - Möglichkeit der Vorsorge und Chance der Netto-Lohnerhöhung" angekündigt. Nachfolgend bestand für die Beschäftigten der Beklagten die Möglichkeit, sich durch Herrn C in Einzelgesprächen weiter informieren zu lassen, zunächst in einem Büroraum der Beklagten, später im Gebäude der Sparkasse M. Die Mitarbeiter der Beklagten wurden dafür während ihrer Arbeitszeit von der Verpflichtung...