Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, Direktionsrecht, Rechtsmissbrauch, Vertretung, Verwirkung, Eingruppierung

 

Leitsatz (amtlich)

Die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT darf als tarifvertragliches Gestaltungsmittel nicht funktionswidrig verwendet werden. Sie bedarf eines sachlichen Grundes für die Übertragung selbst und für die Dauer der Übertragung. Bei der Übertragung von Daueraufgaben liegt ein solcher sachlicher Grund nicht vor.

Werden bei einer gestaffelten Kettenvertretung von dem Letztvertretenen Daueraufgaben wahrgenommen, so handelt es sich bei den Vertretungen in den unteren Ebenen der Staffel ebenfalls um Daueraufgaben.

Hält ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes generell während der gesamten Dauer der Ausbildung eines Regierungsinspektorenanwärters eine Stelle im gehobenen Dienst für diesen frei, so handelt es sich um die Erledigung von Daueraufgaben, wenn er die auf dieser Stelle anfallenden Tätigkeiten einem Angestellten vorübergehend überträgt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 315 Abs. 1, 3; BAT §§ 22, 24

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 10.05.2000; Aktenzeichen 4 Ca 280/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.06.2002; Aktenzeichen 4 AZR 483/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten L2XX wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 10.05.2000 – 4 Ca 280/00 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte L2xx ist verpflichtet, an die Klägerin eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT/BL zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 3/10 und dem beklagten L2xx zu 7/10 auferlegt.

Die Revision wird für das beklagte L2xx zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin.

Die am 27.07.1960 geborene Klägerin hat eine Berufsausbildung als Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfin abgeschlossen.

Seit dem 01.08.1981 ist sie bei dem beklagten L2xx tätig. Das zunächst befristete Arbeitsverhältnis bestand ab 04.02.1982 unbefristet. In dem Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen. Vergütet wurde die Klägerin zunächst aus der Vergütungsgruppe IX BAT/BL. Seit dem 09.03.1984 wird die Klägerin vergütet nach der Vergütungsgruppe VII BAT/BL.

Eingesetzt wird die Klägerin bei dem Versorgungsamt in G4xxxxxxxxxxx. Zunächst war sie als Schreibkraft im Schreibdienst tätig. Anschließend wurde sie seit 1993 im Assistenzbereich der Rentenabteilung eingesetzt.

In der Zeit von Mai 1994 bis Ende April 1996 nahm die Klägerin mit Erfolg an einer Fortbildungsmaßnahme teil, die inhaltlich abgestellt war auf einen künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes (s. Teilnahmebescheinigung vom 31.05.1996 (Bl. 14 d.A.).

In der Zeit vom 29.04.1996 bis zum 31.03.2000 wurde die Klägerin als Sachbearbeiterin im Fachdienst der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) eingesetzt unter Gewährung einer persönlichen Zulage nach § 24 Abs. 3 BAT.

Wegen der Organisation des Versorgungsamtes G4xxxxxxxxxxx wird auf die Organigramme (Bl. 121 f d.A.) verwiesen.

Die Klägerin nahm in dieser Zeit folgende Aufgaben wahr:

1. Bearbeitung von Anträgen nach §§ 3, 4 SchwbG auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und weiterer gesundheitlicher Merkmale sowie Ausweisausstellung Erstanträge)

55 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit

2. Bearbeitung von Änderungsanträgen (§ 48 SGB X)

35 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit

3. Bearbeitung von sonstigen Ausweis- und Beiblattangelegenheiten

10 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit

Wegen der Einzeltätigkeiten und der Bewertung der Arbeitsvorgänge wird auf die Arbeitsplatzbeschreibung, Stand 02/01, (Bl. 122 bis 127 d.A.), wegen der Arbeitsabläufe auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 08.03.2001 (Bl. 128 bis 154 d.A.) verwiesen.

Die Parteien sind übereinstimmend der Auffassung, dass die von der Klägerin als Sachbearbeiterin auszuübenden Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL entsprachen.

Die Übertragung dieser Aufgaben erfolgte aufgrund folgender Verfügungen des beklagten L1xxxx.

Mit Verfügung vom 26.04.1996 (Bl.6 d.A.) teilte das beklagte L2XX der Klägerin u.a. Folgendes mit:

„Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zur Erprobung gemäß § 24 Abs. 1 BAT

Sehr geehrte Frau K1xxxx,

mit Wirkung vom 29.04.1996 übertrage ich Ihnen vorübergehend zur Erprobung gemäß § 24 Abs. 1 BAT die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c – Fallgruppe

1 a – BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3.

Die Erprobungszeit dauert voraussichtlich 6 Monate. Anschließend erhalten Sie bezüglich Ihrer Verwendung weitere Nachricht.

Wegen der zustehenden Zulage erhalten Sie vom Landesamt für Besoldung und Versorgung weitere Nachricht.”

Mit Schreiben vom 24...

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