Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilurteil zur Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte - § 3 Abs 1 S 1 LFZG
Leitsatz (redaktionell)
1. Dient eine vom Arbeitgeber zur Personalakte genommene Abmahnung lediglich der Kündigungsvorbereitung für den Wiederholungsfall, dann ist der Arbeitnehmer durch sein Gegendarstellungsrecht hinreichend geschützt. Für eine Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte fehlt in einem solchen Falle das Rechtsschutzbedürfnis.
2. Streiten die Parteien dagegen über die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers oder über die Rechtswirksamkeit einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitnehmers, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Entfernung der Abmahnung zu bejahen. Die Frage der Verpflichtung des Arbeitnehmers, sein bisheriges, beanstandetes Tun ändern zu müssen oder nicht, kann nicht erst im Kündigungsschutzprozeß geklärt werden.
3. Der fristgebundenen Nachweispflicht nach § 3 Abs 1 Satz 1 LFZG kommt allein eine Disziplinierungsfunktion zu Lasten der Arbeiter zu, ohne daß ersichtlich wäre, warum Angestellte davon ausgenommen sind. Solange die Nachweispflicht nicht für beide Gruppen gilt, werden Arbeiter ohne einen hinreichenden sachlichen Grund gegenüber Angestellten benachteiligt, weil ihnen eine Abmahnung und im Wiederholungsfall eine Kündigung droht.
4. Die Ungleichbehandlung der Arbeiter und Angestellten in bezug auf eine gesetzliche Nachweispflicht ist wegen der sich daraus ergebenden abmahnungs- und kündigungsrechtlichen Folgewirkungen beträchtlich. Zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 3 Abs 1 Satz 1 LFZG über die fristgebundene Nachweispflicht ist daher eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Orientierungssatz
1. Revision eingelegt - 5 AZR 283/92.
2. Am 16.4.1992 unter dem Aktenzeichen 4 Sa 83/92 ist durch das LArbG Hamm ein Vorlagebeschluß zum BVerfG (anhängig unter 1 BvL 15/92) ergangen mit der Frage der Vereinbarkeit von § 3 Abs 1 S 1 LFZG mit Art 3 Abs 1 GG (LAGE § 3 LohnFG Nr 13) bezüglich der Pflicht des Arbeiters vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein Attest über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorlegen.
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 05.12.1991; Aktenzeichen 3 Ca 843/91) |
Gründe
I. Die nichttarifgebundenen Parteien streiten darüber, ob § 3 LFZG insoweit verfassungswidrig ist, wie er den Kläger als Arbeiter verpflichtet, vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtlichen Dauer nachzureichen, und ihn - anders als die gesetzlichen Regelungen für Angestellte - der Möglichkeit einer Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar einer Kündigung durch die Beklagte als Arbeitgeberin aussetzt.
Die Beklagte ist ein Industrieunternehmen, daß sich vornehmlich mit der Herstellung von Produkten und dem Service für das sichere Flachdach befaßt. Ihr Firmensitz ist in B.. Seit 1985 besteht in ihrem Betrieb in W. ein mehrköpfiger Betriebsrat.
Der am 02.02.1962 geborene, verheiratete Kläger, Vater eines unterhaltsberechtigten Kindes, ist bei der Beklagten in dem Betrieb in W. seit Oktober 1986 als Arbeiter zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 3.400,-- DM beschäftigt.
Der Kläger war bis zum 19.07.1991 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 22.07.1991 fühlte sich der Kläger, der an chronischen Magengeschwüren leidet, unwohl und blieb der Arbeit fern, ohne sein Fernbleiben der Beklagten anzuzeigen oder später durch ärztliche Bescheinigung seine Arbeitsunfähigkeit für diesen Tag nachzuweisen. Ob er versucht hat, die Beklagte am 22.07.1991 zu erreichen, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 25.07.1991 suchte der Kläger einen Arzt auf, der ihn bis zum 31.07.1991 arbeitsunfähig krankschrieb. Ob der Kläger der Beklagten die ab 25.07.1991 bestehende Arbeitsunfähigkeit unverzüglich angezeigt hat, ist streitig.
Die Beklagte erteilte dem am 29.07.1991 insgesamt drei Abmahnungen, darunter eine, in welcher die Verletzung der Nachweispflicht bei Erkrankung wie folgt gerügt worden ist:
"Am 22.07.1991 sind Sie nicht zur Arbeit erschienen. Sie behaupteten, Ihnen sei nicht wohl gewesen.
Bis heute haben Sie nicht nachgewiesen, daß Sie aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen sind, am 22.07.1991 zur Arbeit zu erscheinen. Sie haben uns weder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt noch eine entsprechende Bescheinigung über einen Arztbesuch. Sie haben also an diesem Tag unentschuldigt gefehlt. Für diese Zeit werden Sie selbstverständlich keinen Lohn erhalten.
Durch Ihr unentschuldigtes Fehlen haben Sie in besonders schwerwiegender Weise gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
Wir weisen Sie darauf hin, daß Sie im Wiederholungsfalle oder im Falle einer vergleichbaren Vertragsverletzung mit der sofortigen Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung rechnen müssen."
Zugleich hat die Beklagte mit ...