Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsschulung über die Strafvorschriften des BetrVG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Strafrechtsvorschriften der §§ 119, 120 BetrVG gehören als Teil des BetrVG zum Grundlagenwissen für Betriebsräte.
2. Eine darauf bezogene Betriebsratsschulung kann als erforderlich für die Arbeit des Betriebsrates im Sinne des § 37 Absatz 6 BetrVG angesehen werden.
3. Eine solche Schulung ist nicht erst dann als erforderlich anzusehen, wenn der Arbeitgeber in strafrechtlich relevanter Weise versucht hat, Betriebsräte unter Verstoß gegen § 119 BetrVG zu beeinflussen; vielmehr gehört es zum Grundlagenwissen, solche Beeinflussungsversuche im vorhinein erkennen und abwehren zu können.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6, §§ 119-120
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 20.06.2007; Aktenzeichen 9 BV 138/06) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 20.06.2007 – 9 BV 138/06 – festgestellt, dass die Teilnahme des Beteiligten zu 2) an der Schulungsveranstaltung der JES Janssen EDV Schulung und Beratung GmbH zum Thema „Strafrechtliche Risiken der Betriebsratstätigkeit” erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG ist.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten um die Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme.
Der Beteiligte zu 1) ist der Betriebsrat im Betrieb der Hauptverwaltung K der Beteiligten zu 3), der Deutschen Lufthansa AG. Der Beteiligte zu 2) ist der Betriebsratsvorsitzende.
In seiner Sitzung vom 23.05.2006 beschloss der Beteiligte zu 1), den Beteiligten zu 2) zu dem Seminar „Strafrechtliche Risiken der Betriebsratstätigkeit” zu entsenden. Dieses 3-tägige Seminar hatte nach der Seminarangebotsbeschreibung (Bl. 14 d. A.) unter anderem folgende Inhalte:
Strafrecht und Betriebsverfassung
- • Strafrecht als Instrument zur Durchsetzung des Arbeitnehmerschutzes
- • Strafrecht zur Begrenzung der Handlungsfreiheit der Arbeitnehmervertretung
- • Strafbarkeit der Handlung des kollektiven Gremiums
Straftatbestände bei der Betriebsratsarbeit zum Schutz des Arbeitgebers
- • Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
- • Schutz des Vermögens
- • Geheimnisschutz
- • Schutz der Persönlichkeitsrechte, des guten Rufs etc.
Weitere Straftatbestände bei der Betriebsratsarbeit
- • Schutz der Arbeitnehmer
- • Schutz der Betriebsverfassung
- • Schutz der Allgemeinheit
Die Bitte um Freistellung für das Seminar und Übernahme der Seminarkosten lehnte die Beteiligte letztlich mit E-Mail vom 01.08.2006 ab mit der Begründung, die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung sei zwar nützlich, aber für die Betriebsratsarbeit nicht erforderlich.
Daraufhin beschloss der Beteiligte zu 1) am 15.08.2006, die Feststellung die Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung gerichtlich feststellen zu lassen.
Dazu haben die Beteiligten zu 1) und 2) vorgetragen, das Seminar vermittele den Teilnehmern Grundkenntnisse im Umgang mit strafrechtlichen Vorschriften, von denen die Betriebsratsmitglieder des Beteiligten zu 1), wenn überhaupt, nur rudimentäre Rechtskenntnisse hätten. Das Seminar stelle zahlreiche Berührungspunkte der Betriebsratstätigkeit mit dem Strafrecht her, wobei die diesbezüglichen Themenschwerpunkte in der alltäglichen Betriebsratsarbeit allgegenwärtig seien. Die Schulung sei darüber hinaus auch im Hinblick auf die konkrete Betriebssituation erforderlich. Als Betriebsrat der Hauptverwaltung einer großen Konzerngesellschaft stünden die Beteiligten zu 1) und 2) häufig im Blick der Öffentlichkeit und würden gebeten, gegenüber Medienvertretern Erklärungen zu betrieblichen Angelegenheiten abzugeben. In solchen Konstellationen besteht die Unsicherheit, inwieweit über eine bestimmte Angelegenheit gesprochen werden dürfe, oder ob es sich dabei bereits um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handele.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,
es wird festgestellt, dass die Teilnahme des Beteiligten zu 2) an der Schulungsveranstaltung der JES Janssen EDV Schulung und Beratung GmbH zum Thema „Strafrechtliche Risiken der Betriebsratstätigkeit erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG ist.
Die Beteiligte zu 3) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Beteiligte zu 3) vorgetragen, es sei zwar richtig, dass es der konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfes nicht bedürfe, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen handele. Hier gehe es jedoch um Spezialthemen ohne aktuellen Anlass. Der pauschale Hinweis auf die „VW-Affäre” sowie die allgemeine Erklärung, dass Medienvertreter Fragen zu betrieblichen Veränderungen stellen würden, ergäben keinen konkreten betrieblichen Schulungsanlass.
Durch Beschluss vom 20.06.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Seminar nicht um betriebsverfassungsrechtliche Grundkenntnisse handele. Einen aktuellen betriebs- oder betriebsratsbezogenen Anlass, aus dem sich der Schulungsbed...