Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsschulung. Schulungsveranstaltung. Grundlagenseminar. Erforderlichkeit. Erfahrungswissen. Darlegungslast. Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung für Betriebsratsmitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lediglich bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern kann im Rahmen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 BetrVG i. V. m. § 37 Abs. 6 BetrVG auf eine nähere Darlegung der Schulungsbedürftigkeit verzichtet werden, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung handelt.

2. Die Teilnahme an einem Grundlagenseminar ist jedoch nicht als von vornherein erforderlich anzusehen, wenn das Betriebsratsmitglied bereits über einschlägige Vorkenntnisse verfügt. Zu den persönlichen Vorkenntnissen gehört auch das durch langjährige Tätigkeit im Betriebsrat erworbene Erfahrungswissen. In aller Regel erwirbt ein langjähriges Betriebsratsmitglied infolge der Mitwirkung in Beteiligungsverfahren nach §§ 99, 102 BetrVG durch „learning by doing” auch Grundkenntnisse im allgemeinen Arbeitsrecht.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, § 40

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 08.11.2006; Aktenzeichen 1 BV 24 c/06)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 08.11.2006, Az. 1 BV 24 c/06, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Schulungskosten.

Der Antragsteller (künftig: Betriebsrat) ist der bei der Antragsgegnerin (künftig: Arbeitgeberin) gewählte 11-köpfige Betriebsrat. Der Betriebsrat beschloss am 30.03.2006, die Beteiligten zu 3) bis 5) im April 2006 zu dem dreitägigen Seminar „Arbeitsgerichtliche Praxis, Durchsetzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats” zu entsenden, für das folgende Themen vorgesehen waren (Bl. 8 d. GA.):

  • ▹ Der Ablauf einer Gerichtsverhandlung vor dem Arbeitsgericht
  • ▹ Der Kündigungsschutzprozess anhand von Praxisfällen
  • ▹ Das betriebsverfassungsrechtliche Beschlussverfahren anhand von Praxisfällen
  • ▹ Die Einigungsstelle
  • ▹ Besuch von Kammerverhandlungen am Arbeitsgericht, darunter auch Beschlussverfahren

Auf Anfrage der Arbeitgeberin teilte der Betriebsrat mit Schreiben vom 07.04.2007 ergänzend Folgendes mit (Bl. 6 d.GA.):

  1. „Themenplan:

    Am 1. Tag wird der theoretische Ablauf von Beschlussverfahren und auch Urteilsverfahren besprochen, sowie die Fälle, die am folgenden Seminartag in der 1. Kammer des Arbeitsgerichts behandelt werden. Am 2. Tag wird das Seminar die Verhandlungen des Arbeitsgerichtes begleiten. Am Nachmittag werden die Fälle noch einmal aufgearbeitet. Am 3. Tag werden sich die Seminarteilnehmer mit dem Ablauf der Einigungsstelle auseinandersetzen sowie mit der aktuellen Rechtsprechung zu diesem Thema.

  2. Kostenaufschlüsselung.

    Die Seminargebühren setzen sich wie folgt zusammen:

    Seminargebühr:

    249,60 EUR

    Referent:

    358,40 EUR

    Material:

    32,00 EUR

    Verpflegungskosten pro Tag ca.

    53,00 EUR”

Referenten waren ein Vorsitzender Richter am Arbeitsgericht, der auch die Kammerverhandlung vorsaß, sowie ein Fachanwalt für Arbeitsrecht. Am 12.04.2006 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass sie z. Z. die Notwendigkeit für jenes Seminar nicht sehe und deshalb eine Kostenübernahme und Freistellung der Beteiligten zu 3) bis 5) ablehne (Bl. 7 d.GA.). Die Beteiligten zu 3) bis 5) nahmen gleichwohl an dem Seminar teil.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten,

dass es sich bei dem strittigen Seminar um ein solches gehandelt habe, das Grundkenntnisse des allgemeinen Arbeitsrechts vermittelt. Die materiellen Inhalte der Gerichtsverhandlungen seien nicht zufällig gewählt worden, sondern bewusst so zusammengestellt worden, dass sie schulungsdienlich sein konnten. Die Beteiligten zu 3) bis 5) hätten keine ausreichenden Kenntnisse im allgemeinen Arbeitsrecht oder Kenntnisse, die sie in die Lage versetzten, die betrieblichen Belange und ihre Durchsetzungsmöglichkeiten zu beurteilen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller sowie die Beteiligten zu 3) bis 5) zu jeweils 1/3 von der Inanspruchnahme durch Arbeit & Leben Bildungswerk GmbH in Höhe der Kosten des Seminars „Arbeitsrechtliche Praxis” von EUR 2.389,50 freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung

vertreten, dass die Schulungsveranstaltung i. S. v. § 37 Abs. 6 BetrVG nicht erforderlich gewesen sei. Dass die sich zufällig ergebenden materiellen Inhalte der Verhandlungen eines Sitzungstages besprochen würden, mache das Seminar nicht zu einer Schulung des allgemeinen Arbeitsrechts. Im Übrigen verfügten die Beteiligten zu 3) bis 5) über ausreichende Vorkenntnisse im allgemeinen Arbeitsrecht, sei es aufgrund der Teilnahme an entsprechenden Schulungsveranstaltungen oder aufgrund ihrer langjährigen praktischen Erfahrung als Mitglieder des Betriebsrats.

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