Entscheidungsstichwort (Thema)

Schriftform nach § 57 BAT. gesetztliche Schriftform. Sozialauswahl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf das Schriftformerfordernis gemäß § 57 BAT ist in aller Regel auch bei aufgrund von einzelvertraglicher Inbezugnahme geltendem Tarifvertrag die gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB anzuwenden.

2. Eine Kündigungserklärung mit nur eingescannter Unterschrift genügt nicht der gesetzlichen Schriftform gemäß § 126 BGB.

3. Zur Sozialauswahl bei größerer Schutzwürdigkeit eines deutlich länger beschäftigten Mitarbeiters und den Anforderungen an das betriebliche Bedürfnis der Weiterbeschäftigung eines weniger schutzwürdigen Mitarbeiters.

 

Normenkette

BGB §§ 125-127; KSchG § 1 Abs. 1-3; BAT § 57

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Aktenzeichen 3 Ca 164/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.09.2000 – 3 Ca 164/00 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 27.12.1999 noch durch die Kündigung vom 28.12.1999 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Verwaltungsangestellten nach der Vergütungsgruppe IV b BAT weiterzubeschäftigen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Der am 22.03.1944 geborene Kläger ist seit dem 11.02.1977 bei der Beklagten, die über 100 Mitarbeiter beschäftigt als Verwaltungsangestellter bei einer Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT tätig. Nach § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 01.08.1997 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen, wobei § 53 Abs. 3 BAT keine Anwendung findet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag (Bl. 3 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Sie ist zu 100 % Zuwendungsempfängerin des Bundes und nimmt im Rahmen humanitärer Bildungshilfe Eingliederungsaufgaben für Spätaussiedler, Kontingentflüchtlinge und anerkannte Asylberechtigte bis zum 30. Lebensjahr wahr, die in der Bundesrepublik Deutschland ihre Hochschulausbildung aufnehmen oder fortsetzen wollen.

Der Kläger war von Beginn seiner Tätigkeit an über 18 Jahre lang als Personalsachbearbeiter tätig. Seit 1995 befasst er sich überwiegend mit der Abrechnung von Reisekosten. Darüber hinaus nimmt er Sachbearbeitungsaufgaben wie Verwaltungsberufsgenossenschaften- und Schwerbehindertenangelegenheiten wahr. Er war bis zum Ausspruch der Kündigung Vertreter des Mitarbeiters S., der für Personalkostenangelegenheiten zuständig war.

Die Beklagte nahm den Kläger wegen eines von ihm grobfahrlässig verursachten Säumniszuschlags in Höhe von 1.224,– DM vom 10.03.1999 (Bl. 32 d. A.) in Regress. Am 26.07.1999 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen verzögerter Bearbeitung einer Reisekostenabrechnung (Bl. 36, 37 d. A.). Mit Schreiben vom 15.11.1999 mahnte die Beklagte ab, dass das äußere Erscheinungsbild des Klägers hinsichtlich Kleidung und Körperpflege trotz zahlreicher mit ihm geführten Gespräche weiterhin sehr zu Wünschen übrig lasse (K 10, Bl. 44 d. A.). Wegen weiterer von der Beklagten vorgelegter Schreiben und Gesprächsnotizen bezüglich des Verhaltens des Klägers wird auf die Anlagen K 3, K 5, K 6, K 7 und K 11 verwiesen.

Die Beklagte schloss am 17.12.1999 mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Darin heiß es, dass die Kürzung der zur Verfügung stehenden Mittel strukturelle Veränderungen der Organisation des Verwaltungsablaufs erfordern und die notwendige Kosteneinsparung durch eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl erfolgen soll. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgelegten Interessenausgleich und Sozialplan (Anlagenkonvolut) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 27.12.1999 (Bl. 5 d. A.), dem Kläger zugegangen am 28.12.1999, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers betriebsbedingt zum 30.06.2000. Die Kündigung erfolgte im Zusammenhang mit einer Vielzahl von gleichzeitig von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen. Sie trägt nicht die Originalunterschrift des Geschäftsführers der Beklagten, sondern lediglich dessen elektronisch eingescannte Unterschrift. Mit Schreiben vom 28.12.1999 (Bl. 9 d. A.), dem Kläger zugegangen am 29.12.1999 kündigte die Beklagte mit inhaltlich gleichem Text erneut zum 30.06.2000. Die Kündigung ist von dem Präsidenten der Beklagten unterschrieben. Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 16.12.1999 zur Kündigung des Klägers an. In dem Anhörungsschreiben heißt es u.a.: Der Arbeitsplatz des Klägers entfällt wegen eines Personalabbaukonzepts, wonach die bisherigen Bereiche Personalangelegenheiten sowie Personalkosten- und Reisekostenabwicklung künftig von einer Sachbearbeiterstelle BAT IV b und einer halben Bürosachbearbeiterstelle BAT VII weiterg...

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