Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaub. Abgeltung. Arbeitsunfähigkeit. Ruhen des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ruhendes Arbeitsverhältnis generiert keinen Urlaub.
2. Daher verstößt eine tarifliche Kürzungsregelung, die den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers für die Zeit des Ruhens nach dem sog. Zwölftelungsprinzip kürzt (hier: § 26 Abs. 2 TV-L) auch nicht gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung des EuGH („Schulz-Hoff”) erfahren hat.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4; TV-L §§ 26, 33
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 22.12.2009; Aktenzeichen 4 Ca 4567/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.12.2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 4 Ca 4567/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Urlaubsabgeltung für die Zeit des ruhenden Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war von 1974 zunächst zur Ausbildung und ab 1977 bis 31.12.2008 bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt. Hierüber verhält sich ein Einstellungsschreiben vom 29.02.1977 (Kopie Bl. 139 d. A.), wonach auf das Arbeitsverhältnis der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.
Seit Oktober 2006 war die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Mit Bescheid 22.06.2007 (Kopie Bl. 38 ff. d. A.) wurde ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.05.2007 bis zum 31.12.2008 bewilligt.
Durch Teilvergleich vom 08.12.2009 (Bl. 84 f. d. A.) einigten sich die Parteien auf die Zahlung einer Urlaubabgeltung für die Zeit bis zum 30.04.2007 in Höhe von 4.540,90 EUR brutto.
Durch Urteil vom 22.12.2009 hat das Arbeitsgericht die weitergehende Klage auf Zahlung von weiteren 5.464,05 EUR brutto Urlaubsabgeltung für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, während des ruhenden Arbeitsverhältnisses entstünden nach § 26 Abs. 2 c TVöD keine Urlaubsansprüche, sodass auch keine Abgeltung in Betracht komme. Die Regelung verstoße auch nicht gegen europarechtliche Grundsätze.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Urlaubsabgeltungsansprüche für die Zeit des Bezugs der befristeten Erwerbsminderungsrente weiter. Sie meint zunächst, das Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 29.06.2007 (Kopie Bl. 13 d. A.) erst zum 01.07.2007 eingetreten, sodass jedenfalls eine Abgeltung des Urlaubs für die Zeit vom 01.05.2007 bis zum 30.06.2007 vorzunehmen sei. Im Übrigen habe eine Abgeltung auch für die Zeit des Ruhens stattzufinden, weil das Urteil des EuGH vom 20.01.2009 (C-350/06 „Schulz-Hoff”) und das anschließende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07) auch auf die vorliegende Fallkonstellation anzuwenden seien. Entscheidend sei, dass sie, die Klägerin, unverschuldet ihren Urlaub nicht mehr habe nehmen können, weil ihre Erkrankung zu einer vollen Erwerbsminderung geführt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.12.2009 – 4 Ca 4567/08 – zu verurteilen, an sie 5.464,05 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der bereits entschiedene Fall des Urlaubsanspruchs bei Krankheit des Arbeitnehmers sei mit dem ruhenden Arbeitsverhältnis nicht vergleichbar. Durch das Ruhen entfielen die beiderseitigen Hauptleistungspflichten. Diese Änderung sei durch den Antrag auf Erwerbsminderungsrente bewusst von der Arbeitnehmerin herbeigeführt worden. Es liege – anders als im Fall der Arbeitsunfähigkeit – keine Leistungsstörung vor. Sinn und Zweck des Ruhens sei vielmehr, dass keine Arbeitsleistung mehr erbracht werde. Gegen die Wirksamkeit des § 26 Abs. 2 c TVöD bestünden daher keine Bedenken. Vergleichbare Regelungen seien vielfach in Tarifverträgen, aber auch im Gesetz, z. B. in § 17 BEEG, enthalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, war sie statthaft (§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG) und frist – sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S.1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf eine weitergehende Urlaubsabgeltung für die Zeit des ruhenden Arbeitsverhältnisses im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ein nach § 7 Abs. 4 BUrlG abgeltungsfähiger Urlaubsanspruch ist in dem ruhenden Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der §§ 26 Abs. 2 c, 33 Abs. 2 S. 6 TV-L nicht entstanden. Der Wirksamkeit dieser Regelung stehen Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Im Einzelnen gilt folgendes:
- Auf das Arbeitsver...