Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungshoheit des Arbeitgebers bei der Reaktion auf betriebliche Konfliktlagen. Keine Unwirksamkeit der Versetzung bei unterbliebener vorheriger Anhörung des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will, und zwar unbeschadet des Streits um ihre Ursachen. Der Arbeitgeber muss nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären.
2. Die Verletzung der in § 7 Abs. 1 Satz 2 der Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie in Deutschland (AVR-DD) geregelten Pflicht des Dienstgebers, den Mitarbeiter vor einer Versetzung zu hören, führt nicht zur Unwirksamkeit der Versetzung. Letztlich trägt der Arbeitgeber das Risiko, wenn er die - ihm mangels Anhörung nicht bekannten - Interessen des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat und die Versetzung deshalb nicht billigem Ermessen entspricht.
Normenkette
GewO § 106; BGB § 315; AVR-DD § 7
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 04.09.2018; Aktenzeichen 5 Ca 227/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 04.09.2018 - 13 Ca 227/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer Versetzung an einen anderen Arbeitsort zur Auflösung eines zwischenmenschlichen Konflikts.
Die im November 1966 geborene Klägerin ist seit dem 24.07.1990 bei dem Beklagten als Köchin beschäftigt. Nach dem Dienstvertrag vom 01.10./18.12.1991 finden auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Ein Arbeitsort ist im Arbeitsvertrag nicht festgelegt. Der Beklagte setzte die Klägerin in der Küche des Diakonie-Pflegeheims R. ein. Die Klägerin bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von € 2.080,- brutto.
Mit Wirkung zum 16.09.2013 wurde die Klägerin als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Der Beklagte erfuhr hiervon erst im Laufe dieses Rechtsstreits.
In der Küche des Pflegeheims R. sind regelmäßig 5 Köche einschließlich der Küchenleitung sowie zwei Hilfskräfte tätig. Die Arbeitszeit beginnt um 06:00 Uhr und endet regulär um 14:30 Uhr. Die Klägerin nutzt für den Weg von ihrem Wohnort in A-Stadt zu der Arbeitsstätte in R. einen PKW und benötigt für die Entfernung von ca. 21 km eine Fahrzeit von etwa 20 Minuten. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin betrug zuletzt 36 Wochenstunden.
Am 29.05.2017 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Küchenleiterin, Frau S., und der Klägerin wegen der Menge der angerührten Senfsoße und wegen der Verwertung von Restkartoffeln. Die Klägerin ist seit diesem Tag ununterbrochen arbeitsunfähig. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und Frau S. bezeichnen beide Parteien als zerrüttet.
Mit Schreiben vom 05.10.2017 versetzte der Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 01.11.2017 von der Küche in R. zur DSG Küche im Diakonie Pflegeheim "A. R." in C-Stadt. Die Entfernung des neuen Arbeitsortes zum Wohnort der Klägerin beträgt bei einer Fahrt über die Autobahn 72 km und über Landstraßen 56 km, die Fahrzeiten liegen zwischen 45 und 50 Minuten. In dem Versetzungsschreiben heißt es zur Begründung:
"...
Der Betriebsfrieden an Ihrem bisherigen Beschäftigungsort, der Küche im Diakonie Pflegeheim in R., ist aufgrund Ihrer dortigen Beschäftigung schon seit mehreren Jahren erheblich angespannt. Die Spannungen beeinträchtigen die Arbeitsabläufe. Zur Ursachenermittlung gab es bereits in der Vergangenheit wiederholt Personalgespräche, und zwar sowohl mit den übrigen Mitarbeiter aber auch mit Ihnen. Frau T.-P. hat in den Gesprächen und aus den Gesprächen, die sie teilweise auch persönlich geführt hat, nachhaltig den Eindruck gewonnen, dass das Verhältnis zwischen Ihnen und der Küchenleiterin Frau S., aber auch das Verhältnis zum gesamten Team der Küchenleitung derart zerrüttet ist, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.
Dieser Eindruck hat sich durch die von Herrn W. im September geführten Gespräche verfestigt. Die Mitarbeiter der Küchenleitung haben mit Nachdruck zum Ausdruck gebracht, dass sie eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen als eine aus ihrer Sicht nicht weiter hinnehmbare Belastung ansehen und die Mitarbeiter haben Herrn W. eindringlich gebeten, Sie andernorts einzusetzen. Es klang dabei glaubhaft an, dass sich die Mitarbeiter sonst ihrerseits um eine anderweitige Beschäftigung bemühen würden.
Ich habe in der Vergangenheit mit Frau T.-P. und zuletzt mit Herrn W. eingehend die Frage nach der Ursache für den gestörten Betriebsfrieden erörtert. Die Ursachen sind nach unserer Überzeugung vielschichtig. Wir können aber ausschließen, dass die Küchenleitung bzw. das Team der Küchenleitung allein die Ursachen vorwerfbar gesetzt hat. Sie werden do...