Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch. Arbeitsunfähigkeit durch Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
1. Kann Urlaub wegen arbeitsunfähiger Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht tatsächlich genommen werden, so ist dieser mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Die infolge Arbeitsunfähigkeit zu nehmenden Urlaubsansprüche verjähren infolge ihrer gesetzlichen Befristung nicht.
2. Selbst wenn man eine grundsätzliche Verjährungsmöglichkeit der Urlaubsansprüche annehmen wollte, wäre die Verjährungsfrist infolge arbeitsunfähigkeitsbedingt dauernder Unmöglichkeit der tatsächlichen Urlaubsnahme nach § 206 BGB gehemmt. Verkündet am: 30.11.2010
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3-4; BGB §§ 195, § 199 ff., § 206
Verfahrensgang
ArbG Regensburg (Urteil vom 20.05.2010; Aktenzeichen 9 Ca 3991/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 20. Mai 2010 – 9 Ca 3991/09 – in der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15/38, die Beklagte 23/38.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2004 und 2005.
Der Kläger war zunächst befristet seit 27. Aug. 2001 und seit 1. Juli 2003 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bis 28. Feb. 2009 bei der Beklagten bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von EUR 2.245,95 beschäftigt. Seit dem 28. Okt. 2004 war der Kläger durchgehend bis zu seinem Ausscheiden arbeitsunfähig erkrankt. Seit 14. Juni 2005 ist der Kläger als schwer behinderter Mensch anerkannt. Seit 1. März 2006 bezog er Erwerbsminderungsrente auf Zeit, seit 1. März 2009 Erwerbsminderungsrente auf Dauer.
Mit Schreiben vom 3. Feb. 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Abgeltung offener Urlaubsansprüche seit 2004 geltend. Die offenen Urlaubsansprüche aus den Jahren ab 2006 hat die Beklagte abgegolten.
Mit seiner am 14. Dez. 2009 beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen und der Beklagten am 22. Dez. 2009 zugestellten Klage vom 14. Dez. 2009 begehrt der Kläger zunächst die Abgeltung von noch offenen 5 gesetzlichen Urlaubstagen für 2005 sowie des gesetzlichen Urlaubs von 20 Tagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2005.
Im Termin vor dem Arbeitsgericht am 29. Apr. 2010 hat der Kläger seinen Klageantrag reduziert. Eine Rücknahme der Klage im Übrigen ist dem Protokoll nicht zu entnehmen; ebenso fehlt jegliche Begründung für die Reduzierung des Klageantrags im Protokoll, wie auch in der nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
Er hat b e a n t r a g t:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.303,22 brutto zzgl. 5 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, 2004 seien bereits 25 Urlaubstage eingebracht, weswegen der gesetzliche Urlaub bereits verbraucht sei. Der Urlaub aus 2005 sei verfallen, da er nicht bis 30. Sept. 2007 angetreten worden sei. Im Übrigen seien die Ansprüche bereits verjährt.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat der Klage mit Endurteil vom 20. Mai 2010 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Urlaubsanspruch 2004 sei nicht verjährt. Der Urlaubsanspruch entstehe nicht mit Ablauf der Wartezeit bzw. nach deren Ablauf mit Beginn eines jeden Urlaubsjahres. Sei ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, könne der Urlaub weder verlangt noch erfüllt werden. Somit werde der Anspruch erst mit Wiedergenesung fällig. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandle sich der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um. Für diesen komme es nicht mehr auf die vorherige Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches an. Diesen grundsätzlichen Überlegungen liefe es zuwider, könnte der Urlaubsanspruch zwischenzeitlich verjähren.
Gegen dieses ihr am 22. Juni 2010 zugestellte Endurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010, der am selben Tag per Telefax am Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 31. Aug. 2010, der am selben Tag per Telefax eingegangen war, begründet, nachdem auf ihren Antrag hin die Begründungsfrist bis 17. Sept. 2010 verlängert worden war.
Unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag führt die Beklagte aus, sie habe hinsichtlich des Urlaubsanspruchs 2005 entsprechend der seinerzeitigen Rechtslage davon ausgehen dürfen, dieser werde mit Ablauf des 31. März des Folgejahres verfallen sein. Ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung bestehe jedenfalls ab der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Schultz-Hoff nicht mehr. Diese sei aber erst 2010 ergangen. Jedenfalls seien die Urlaubsansprüche verjährt. Die Fälligkeit des Anspruches sei nur grundsätzliche V...