Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ordnungsgeld gegen die Partei, die der Anordnung zum persönlichen Erscheinen nicht nachgekommen ist, kann nur verhängt werden, wenn die ordnungsgemäße Ladung zum persönlichen Erscheinen dokumentiert ist.
2. Die Verhängung von Ordnungsgeld ist keine Sanktion für die Missachtung der richterlichen Anordnung des persönlichen Erscheinens oder für das Scheitern von Vergleichsverhandlungen. Sanktionsgrund ist lediglich die pflichtwidrige Behinderung der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung und die Vereitelung des Vorantreibens des gerichtlichen Verfahrens.
3. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes scheidet aus, wenn das Gericht ungeachtet der Abwesenheit der Partei oder ihrer nicht ordnungsgemäßen Vertretung im Sinne des § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO den Rechtsstreit in dem Termin, zu dem das persönliche Erscheinen angeordnet worden ist, durch Urteil entscheiden kann. Daran hat sich durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887) nichts geändert.
Verfahrensgang
ArbG Nienburg (Beschluss vom 12.07.2002; Aktenzeichen 2 Ca 810/0) |
Tenor
wird auf die sofortige Beschwerde der Beklagten der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Nienburg vom 12. Juli 2002 – 2 Ca 810/01 – aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 250,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.
Das Arbeitsgericht ordnete das persönliche Erscheinen der Geschäftsführerin der Beklagten zum Kammertermin vom 14. März 2002 an. Diese erschien nicht, sondern bevollmächtigte den zuständigen Sachbearbeiter B., sie im Termin zu vertreten. Das Arbeitsgericht verkündete am Schluss der Sitzung in Abwesenheit der Parteien ein Teil-Anerkenntnis und End-Urteil und beraumte Termin zur Fortsetzung der Verhandlung auf den 6. Juni 2002 an. Es ordnete unter Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung eines Ordnungsgeldes das persönliche Erscheinen „der Beklagten” an. Zu diesem Termin erschien für die Beklagte neben ihrem Prozessbevollmächtigten abermals nur der Angestellte B. unter Vorlage einer Vollmacht, wonach er bevollmächtigt sei, die Beklagte zu vertreten und Vergleiche entgegen zu nehmen. Die Parteien verhandelten zur Sache und über den Abschluss eines Vergleichs, der nicht zustande kam. Das Arbeitsgericht setzte am Schluss der Sitzung ein Ordnungsgeld von 250,– EUR gegen die Geschäftsführerin der Beklagten fest und verkündete ein Schlussurteil. Auf die Beschwerde der Beklagten hob das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2002 den Ordnungsgeldbeschluss vom 6. Juni 2002 auf und setzte gegen die Beklagte ein Ordnungsgeld von 250,– EUR fest. Der Vortrag des Angestellten B. sei zur Förderung des Rechtsstreits gänzlich untauglich gewesen. Weiter führte es aus:
Auch wenn die Beklagten-Geschäftsführerin trotz ihrer Stellung als gesetzliche Vertreterin der Beklagten möglicherweise über ebenso wenig Kenntnisse oder noch weniger Kenntnisse als der Mitarbeiter B. im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers verfügte, wäre ihre Anwesenheit gerade im Hinblick auf den von dem Gericht und der Klägerseite angestrebten Vergleichsabschluss sinnvoll gewesen. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass ein Vergleichsabschluss mit Zahlung eines Betrages von 2.000,– EUR an den Kläger nahezu greifbar war, jedoch letztendlich daran scheiterte, dass Herr B. nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten-Geschäftsführerin oder weiteren Mitarbeitern der Beklagten, die bereits durch rechtskräftiges Teil-Urteil vom 14.03.2002 ausgeurteilten Beträge (= 632,39 EUR) überraschenderweise mit von der vorgenannten Vergleichssumme erfasst wissen wollte.
Gegen diesen ihr am 17. Juli 2002 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 23. Juli 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, der Angestellte B. sei ein ordnungsgemäß bevollmächtigter Vertreter gewesen. Die Geschäftsführerin der Beklagten hätte zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beitragen können. Die Weigerung, einen Vergleich abzuschließen, lasse keinen Rückschluss auf die fehlende Ermächtigung zum Abschluss eines Vergleichs zu. Auch wenn die Geschäftsführerin der Beklagten selbst im Termin anwesend gewesen wäre, wäre es nicht zum Vergleich gekommen, weil die Beklagte zur Zahlung von 2000,– EUR zuzüglich des bereits ausgeurteilten Betrages nicht bereit gewesen sei.
Mit Beschluss vom 29. Juli 2002 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die statthafte sofortige Beschwerde (§ 51 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, § 141 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 380 Abs. 3 ZPO) ist begründet.
1. Das Arbeitsgericht hat allerdings mit dem angegriffenen Beschluss das Ordnungsgeld zutreffend gegen die Beklagte selbst und nicht gegen deren Geschäftsführerin festgesetzt (vgl. LAG Hamm, 25.1.1999, 1 Ta 727/98, LAGE § 51 ArbGG 1979 Nr. 6; Vonderau, NZA 1991, S. 336 ≪339≫...