Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeitrichtlinie. Arbeitszeit. SIMAP-Urteil. Bereitschaftsdienst. Rettungswache
Leitsatz (amtlich)
1. Die Richtlinie 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 23.11.1993 erfasst auch den Rettungsdienst.
2. Die Auslegung des Arbeitszeitbegriffs in Art. 2 Ziffer 1) der Richtlinie 93/104/EG durch den EuGH in seinem Urteil vom 03.10.2000 (Rs. C-303/98, AP Nr. 2 zu EWG-Richtlinie Nr. 93/104-Simap) ist für die nationalen Gerichte der Mitgliedsstaaten bindend. Art. 2 Ziffer 1) der Richtlinie 93/104/EG erlaubt keine Abweichung von der gemeinschaftsweiten Definition der Arbeitzeit in der Auslegung des EuGH durch den nationalen Gesetzgeber.
3. Der von den Arbeitnehmern in Form persönlicher Anwesenheit in der Rettungswache erbrachte Bereitschaftsdienst unterfällt dem Begriff der Arbeitszeit in Art. 2 Ziffer 1) der Richtlinie 93/104/EG in ihrer Auslegung durch den EuGH, weil die Arbeitnehmer in der Wahl ihres Aufenthaltsortes
Normenkette
EGRL 104/93 vom 23.11.1993 Art. 2 Ziff. 1; ArbZG § 2 Abs. 1; DRK-TV § 14
Verfahrensgang
ArbG Lingen (Beschluss vom 06.12.2001; Aktenzeichen 3 BV 8/01) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen vom 06.12.2001 – 3 BV 8/01 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
Der Beteiligte zu 1) betreibt eine Rettungswache. Er ist nicht tarifgebunden. Mit den einzelnen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern hat er einzelvertraglich die Geltung des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) vereinbart. Dessen § 14 sieht unter anderem vor:
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zu Grunde zu legen.
(2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden
- bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,
- bis zu elf Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt,
- bis zu zwölf Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich), wenn der Mitarbeiter lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muss, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten.
…
(5) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
Der Beteiligte zu 2) ist der beim Beteiligten zu 1) gebildete Betriebsrat.
Die Beteiligten konnten keine Einigung über ein Dienstplanmodell erzielen. Die deswegen angerufene Einigungsstelle fällte am 14. August 2001 einen Spruch, auf den Bezug genommen wird (Bl. 10–18 d.A.), mit folgendem Inhalt:
Dem Dienstplan sind folgende Rahmenbedingungen zugrunde zu legen:
1. Die wöchentliche, durchschnittliche Höchstarbeitszeit in Form von persönlicher Anwesenheit am Arbeitsplatz wird dienstplanmäßig auf max. 48 Stunden beschränkt.
In der vorgenannten Arbeitszeit können Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst enthalten sein. Bereitschaftsdienst darf nur in den Nachtschichten in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr von Montag bis Samstag 24.00 Uhr angeordnet werden, ausgenommen Wochenfeiertage. Es dürfen nicht mehr als 7 Bereitschaftsdienste pro Monat angeordnet werden.
2. Der Ausgleichszeitraum beträgt 12 Monate. Er beginnt am 01.09. des Kalenderjahres und endet am 31.08. des Folgejahres. Die Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter werden jeweils am 01.09. auf 0 gesetzt. Plusstunden werden als Überstunden gewertet und ausbezahlt. Minusstunden verfallen zu diesem Zeitpunkt, ausgenommen die vom Arbeitnehmer verschuldeten Minusstunden.
3. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden für Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge in dienstplanmäßigen Schichten festgelegt, die an der Rettungsmittelbedarfsplanung orientiert sind. Es wird auf Fahrzeuge mit einer Besetzungspflicht von mehr als 12 Stunden ein Zweischichtsystem eingeführt, bei dem eine Schichtanwesenheit von 12 Stunden nicht überschritten werden darf.
Tagdienst ist die Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr, Nachtdienst ist die Zeit von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr.
Nach einer Schicht darf keine weitere Schicht im direkten Anschluss an Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst ohne 11 Stunden Ruhepause dazwischen angeordnet werden.
4. Die Mitarbeiter der Notfallrettung erhalten innerhalb einer Dienstschicht von 12 Stunden (Tag- und Nachtdienst) 2 Stunden Pause. In der ...