Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtstellung des Betriebsrats. Recht auf Einsicht in nicht anonymisierte Listen über Bruttolöhne und -gehälter

 

Leitsatz (amtlich)

Zur effektiven Wahrnehmung seiner Überwachungsrechte aus § 80 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG berechtigt, in die nichtanonymisierten Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 80, 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 01.03.2018; Aktenzeichen 2 BV 10/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 01.03.2018 - 2 BV 10/17 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet wird, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch darüber, ob die Arbeitgeberin dem Einblicksrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG bereits dadurch genügt, dass sie einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einblick in anonymisierte Bruttolohn- und -gehaltslisten gewährt.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist Teil der M.-Gruppe mit 78 Rehabilitationskliniken, Akutkrankenhäusern und Wiedereingliederungseinrichtungen an 48 Standorten in Deutschland. Am Standort in A-Stadt beschäftigt sie im "M. Ambulantes Gesundheitszentrum" ca. 100 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete 5-köpfige Betriebsrat.

Nachdem der Betriebsrat in der Vergangenheit nur sporadisch Einsicht in die Lohnlisten genommen hatte, forderte er die Arbeitgeberin im Jahr 2016 auf, ihm regelmäßig Einsicht zu gewähren. Die Einsichtnahme erfolgte nach mehrfachem Schriftwechsel am 14.07.2016 in A-Stadt, dabei wurde dem Betriebsrat jedoch nur eine anonymisierte Liste der gezahlten Bruttolöhne und -gehälter vorgelegt. Dieses Verfahren praktizierte die Arbeitgeberin auch bei den Folgeterminen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass er nur bei Vorlage der Gehaltslisten und der Nennung der betroffenen Arbeitnehmer ausreichend in die Lage versetzt werde, mögliche Diskriminierungen zu erkennen. Gerade die Überprüfung der Verteilungsgerechtigkeit der Gehälter könne ohne eine Individualisierung nicht wirksam erfolgen. Die Anwesenheit von Frau Me. oder Herrn G. von der Arbeitgeberin bei der Einsichtnahme in die vorgelegten Lohnlisten sei eine unzulässige Überwachung durch die Arbeitgeberin und daher zu unterlassen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. Die Arbeitgeberin zu verpflichten, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen zu gewähren;

2. Es zu unterlassen, gegen den Willen des Betriebsrats Personen zur Überwachung der Einsichtnahme zu entsenden;

3. Für jede Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus Ziff. 2 ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der Einsichtnahme die Vorlage anonymisierter Lohnlisten ausreiche, um eine mögliche Diskriminierung der Arbeitnehmer erkennen zu können. Für die Überwachung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei die Nennung der Namen der einzelnen Arbeitnehmer nicht erforderlich. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, dass das Gebot der Datensparsamkeit und die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer zu beachten seien und dieser einer Offenlegung der Klarnamen gegenüber dem Betriebsrat entgegenstünden. Eine solche Offenlegung müsse erst erfolgen, wenn der Betriebsrat bei Durchsicht der anonymisierten Daten Unregelmäßigkeiten erkenne und in Bezug auf diese Daten die Nennung der dahinterstehenden Arbeitnehmer verlange.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Anhörung der Beteiligten vor dem Arbeitsgericht am 01.03.2018 verwiesen.

Mit Beschluss vom 01.03.2018 hat das Arbeitsgericht Hannover die Arbeitgeberin verpflichtet, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen zu gewähren. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde am 26.03.2018 an die Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin zugestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerdeschrift ist am 09.04.2018 und die dazugehörige Beschwerdebegründung am 26.06.2018 und damit am letzten ...

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