Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Arbeitslosmeldung als "böswilliges Unterlassen" i.S.d. § 11 Abs. 2 KSchG. Keine Sanktionen bei Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 SGB III. Verhinderung anderweitigen Arbeitsangebots als "böswilliges Unterlassen" der Annahme einer zumutbaren Arbeit
Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmer zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten und daneben verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, § 38 Abs. 1 SGB III. Auch wenn es sich dabei zunächst 1. Das Unterlassen der Meldung des Arbeitnehmers bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend erfüllt das Merkmal des böswilligen Unterlassens im Sinne von § 11 Ziff. 2 KSchG.
2. Der Arbeitnehmer genügt seinen Obliegenheiten aus § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG daher nur, wenn er sich arbeitslos meldet und sich mit den ihm von der Agentur für Arbeit ernsthaft befasst. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus Art. 12 GG begründen, weil die Arbeitslosmeldung nicht dazu zwingt, eine nachgewiesene Arbeitsmöglichkeit auch zu nutzen.
3. Wer vorsätzlich ohne ausreichenden Grund verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird, unterlässt es im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 2 böswillig, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen; Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.
Leitsatz (redaktionell)
Unterlässt es der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über dessen Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung zu informieren, können daran keine Sanktionen geknüpft werden. Denn die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 SGB III begründet keine selbstständige Nebenpflicht des Arbeitgebers, das Vermögen des Arbeitnehmers zu schützen. Es handelt sich nicht um ein Schutzgesetz, sondern um eine nicht sanktionsbewehrte Sollvorschrift, deren Nichtbefolgung keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers auszulösen vermag.
Normenkette
BGB § 615 S. 1; KSchG § 11 Nr. 2; SGB III § 2 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5, § 38 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; SGB III § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Celle (Entscheidung vom 18.11.2020; Aktenzeichen 2 Ca 103/19) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 18. November 2020 - 2 Ca 103/19 - teilweise abgeändert:
Die Klage wird hinsichtlich des Zahlungsantrages abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Die erstinstanzlichen Kosten fallen dem Kläger zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 zur Last.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um Zahlung von Arbeitsentgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.
Der Kläger ist bei der Beklagten in leitender Position beschäftigt. Am 1. Oktober 2019 versetzte ihn die Beklagte auf eine andere Tätigkeit. Nachdem der Kläger diese nicht aufnahm, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Mit Urteil vom 18. November 2020, das in Rechtskraft erwachsen ist, befand das Arbeitsgerichts Celle die Versetzung für unwirksam. Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 5. März 2019 nicht aufgelöst worden ist. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig geworden.
Der Kläger, der sich zu keinem Zeitpunkt arbeitslos meldete, hat geltend gemacht, weder anderweitiges Einkommen noch Einkommensersatzleistungen bezogen zu haben. Der von ihm betriebene Fahrzeughandel sei ein Hobby, aus dem er keinen Verdienst bezogen habe. Überdies sei er dieser Tätigkeit auch nicht während der Zeit nachgegangen, in der er Arbeitsleistung für die Beklagte hätte erbringen müssen.
Der Kläger hat, soweit es Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 174.201,07 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass der Kläger keinen Verdienst aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit erzielt habe, und ausgeführt, er habe es böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Es sei davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit ihm im Fall der Arbeitslosmeldung Angebote unterbreitet hätte.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag entsprochen und dazu ausgeführt: Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung schulde die Beklagte dem Kläger die Vergütung aus Annahmeverzug. Der Kläger habe keinen Zwischenverdienst und keine Sozialleistungen bezogen und müsse sich auch keinen böswillig unterlassenen Zwischenverdienst anrechnen lassen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Böswilligkeit setze vorsätzliches Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit voraus, während Fahrlässigkeit nicht genüge. Auch wenn man von seiner Verpflichtung ausgehe, sich arbeitsuchend zu melden, könnte Bö...