Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerhaftung für mittlere Fahrlässigkeit bei der Beschädigung eines anderen Fahrzeugs beim Rückwärtsfahren mit dem Firmenfahrzeug auf dem öffentlich zugänglichen Teil des Firmenparkplatzes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer, der beim Rückwärtsfahren mit dem Firmenfahrzeug auf dem öffentlich zugänglichen Firmenparkplatz ein dort parkendes Fahrzeug beschädigt, ist mittlere Fahrlässigkeit im oberen Bereich vorzuwerfen. Während des Rückwärtsfahrens ist es erforderlich, sich permanent durch die Benutzung des Innen- und der Außenspiegel sowie durch einen Schulterblick darüber zu vergewissern, dass die avisierte Fahrstrecke frei von Hindernissen ist. Gegebenenfalls muss sich der Fahrer durch einen Beifahrer oder eine dritte Person einweisen lassen.

 

Normenkette

BGB § 249; StVO § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 5, § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Lingen (Entscheidung vom 07.09.2023; Aktenzeichen 1 Ca 71/23)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 7. September 2023 - 1 Ca 71/23 - und das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 18. Januar 2024 - 1 Ca 71/23 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 2.700 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2023 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte zu 1) einen Betrag in Höhe von 1.543,37 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. April zu zahlen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten zu 1) im Falle der Reparatur des bei dem Unfall vom 14. Juli 2022 beschädigten BMW 320 i (Fahrzeugidentifikationsnummer ...) des Beklagten zu 2) die auf einen Betrag von 1.543,37 Euro anfallende Umsatzsteuer zu ersetzen.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 34 % und die Beklagte zu 1) zu 66 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.426,13 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche in Verbindung mit einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) in der Zeit vom 1. Februar 2022 bis zum 31. Januar 2023 beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Der Kläger erzielte eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.700,00 €.

Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses war dem Kläger über einen Leasingvertrag ein Firmenfahrzeug, ein Nissan Leaf, überlassen worden. Für das Fahrzeug war eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen worden.

Am 14. Juli 2022 kam es zu einem Unfall, bei dem der Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu 1) beim Zurücksetzen mit dem ihm überlassenen Nissan Leaf auf das im Eigentum des Beklagten zu 2) stehende BMW 320 i Cabrio auffuhr. Das BMW Cabrio war zu diesem Zeitpunkt abgemeldet.

Der Kläger erwarb für den Monat Januar 2023 gegen die Beklagte zu 1) einen Lohnanspruch in Höhe von 2.700,00 € brutto.

Am 16. Januar 2023 kam es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) zu einer Auseinandersetzung, deren Verlauf zwischen den Parteien streitig ist.

Mit seiner am 24. Februar 2023 beim Arbeitsgericht Lingen eingegangenen und später erweiterten Klage verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1) die Zahlung der Bruttovergütung für den Monat Januar 2023 sowie gesamtschuldnerisch von den Beklagten zu 1) und 2) die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2023 hat die Beklagte zu 1) gegenüber dem dem Kläger zustehenden Lohnanspruch in Höhe 2.700,00 € die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen betreffend die Schäden am Nissan Leaf und am BMW erklärt. Mit ihrer am 27. April 2023 beim Arbeitsgericht Lingen eingegangenen Widerklage verfolgt die Beklagte zu 1) ihre Schadensersatzansprüche weiter.

Wegen des unstreitigen Sachverhaltes, der streitigen erstinstanzlichen Behauptungen, der konträren Rechtsauffassungen, der geltend gemachten Ansprüche sowie des gesamten erstinstanzlichen Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Teil-Urteils vom 7. September 2023, S. 2 bis 4 desselben Bezug genommen.

Mit Teil-Urteil vom 7. September 2023 hat das Arbeitsgericht Lingen der Klage hinsichtlich des Vergütungsanspruches für den Monat Januar 2023 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der Kläger für den Monat Januar 2023 seinen vollen Vergütungsanspruch erworben habe. Dieser Anspruch sei nicht durch Aufrechnung mit einem Gegenanspruch erloschen. Die von der Beklagten zu 1) erklärte Aufrechnung sei unzulässig. Ferner habe die Beklagte zu 1) auch die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet.

Die Widerklage sei unbegründet. Die Beklagte zu 1) habe gegen den Kläger keinen Anspruch auf...

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