Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. Unwirksame Befristung bei mehr als drei Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot.
2. Das Vertrauen des Arbeitgebers auf den Fortbestand der Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2011 zum zeitlich begrenzten Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht schutzwürdig.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 06.10.2016; Aktenzeichen 2 Ca 193/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Hannover vom 06.10.2016 - 2 Ca 193/16 - abgeändert und
1. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 12.01.2016 mit Ablauf des 30.04.2016 geendet hat,
sowie
2. die Beklagte verurteilt, die Klägerin über den Ablauf des 30.04.2016 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 30.04.2014 als Mitarbeiterin im Bereich Food I weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Entfristungsklage über das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sowie über einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin.
Die Beklagte ist eine Einzelhandelskette, die in Deutschland an verschiedenen Standorten mehrere hunderte Supermärkte betreibt. Die am 00.00.1990 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war bei der Beklagten zunächst in deren Betrieb in A. auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 04.07.2008 befristet tätig. Dieser Vertrag wurde unter dem 06.09.2008 bis zum 31.12.2008 verlängert. Mit Schreiben vom 27.12.2008 hat die Klägerin dieses Arbeitsverhältnis "ordentlich zum 31.12.2008 vorsorglich zum nächst zulässigen Kündigungstermin" gekündigt. Mit Vertrag vom 30.04.2014 schlossen die Parteien zunächst für die Zeit vom 02.05.2014 bis 31.01.2015 erneut einen Arbeitsvertrag, bezogen auf den Betrieb der Beklagten in B. Dieser wurde in der Folgezeit dreimal verlängert, und zwar durch die Vereinbarung vom 14.01.2015 bis zum 31.07.2015, durch die Vereinbarung vom 08.07.2015 bis zum 31.01.2016 und schließlich durch die Vereinbarung vom 12.01.2016 bis 30.04.2016. Während dieser Zeit war die Klägerin durchgehend in dem Supermarkt in B. im Bereich Food I beschäftigt zuletzt mit einem durchschnittlichen Monatsbruttogehalt in Höhe von 1.344,07 €.
Mit der am 04.05.2016 beim Arbeitsgericht Hannover eingereichten Klage macht die Klägerin den unbefristeten Fortbestand des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses über den 30.04.2016 hinaus geltend und begehrt von der Beklagten die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Feststellungsantrag.
Sie hat die Auffassung vertreten, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für den Zeitraum vom 02.05.2014 bis 30.06.2016 sei wegen ihrer Vorbeschäftigungszeit im Supermarkt in A. im Jahre 2008 nicht zulässig. Entgegen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 06.04.2011 zum Aktenzeichen 7 AZR 716/09 sei § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG dahingehend auszulegen, dass jede Vorbeschäftigung, auch eine solche, die länger als drei Jahre zurückliege, einer erneuten sachgrundlosen Befristung entgegenstehe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 12.01.2016 mit Ablauf des 30.04.2016 geendet hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf des 30.04.2016 hinaus bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 30.04.2014 als Mitarbeiterin im Bereich Food I weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes seit dem Jahr 2011 (Urteil vom 06.04.2011 - 7 AZR 716/09) sei unter Berücksichtigung aller relevanten Auslegungskriterien eine zeitliche Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbotes dahingehend geboten, dass eine Vorbeschäftigungszeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung nur dann entgegenstehe, wenn das frühere Arbeitsverhältnis weniger als drei Jahre zurückliege. Zwischen dem zum 31.12.2008 beendeten und dem zum 02.05.2014 neu gegründeten Arbeitsverhältnis liege ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren. Eine "Zuvor-Beschäftigung" im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei mithin nicht gegeben, und die Befristung des Arbeitsverhältnisses vom 02.05.2014 bis 30.04.2016 habe nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sachg...