Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. Unwirksame Befristung bei fünfzehn Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält keine zeitliche Begrenzung für das Vorbeschäftigungsverbot (entgegen BAG vom 06.04.2011, 7 AZ 716/109 und BAG vom 21.09.2011, 7 AZR 35/11).

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 23.11.2016; Aktenzeichen 1 Ca 219/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.04.2019; Aktenzeichen 7 AZR 323/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 23.11.2016, 1 Ca 219/16 abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der am 25.04.2014 vereinbarten Befristung am 30.04.2016 beendet worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Folge einer Befristungsabrede zum 30.04.2016.

Der am 00.00.1974 geborene Kläger war bei der Beklagten bis 30.04.2016 befristet beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst gem. Vereinbarung vom 25.04.2014 vom 02.05.2014 bis 30.09.2014, sodann gem. Vereinbarung vom 17.09.2014 bis 31.03.2015 und gem. Vereinbarung vom 04.03.2015 bis 31.05.2015 befristet. Schließlich wurde die Befristung gem. Vereinbarung vom 12.10.2015 bis 30.04.2016 verlängert. Der Kläger erhielt zuletzt eine monatliche Brutto-Vergütung in Höhe von 2.980,74 €. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung.

Der Kläger war bereits in der Zeit vom 29.05.1997 bis 28.05.1999 als Produktionshelfer bei der Beklagten beschäftigt.

Mit am 23.05.2016 eingegangener Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in Folge der Befristung zum 30.04.2016. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, dass die Befristung gegen das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstoße, weil er eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber hatte.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 25.04.2014 vereinbarten Befristung am 30.04.2016 beendet worden ist.

2. Im Fall des Obsiegens dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschinenbediener weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach eine Vorbeschäftigung, die vor Ablauf von drei Jahren erfolgt sei, einer weiteren Befristung nicht entgegenstehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.11.2016 abgewiesen und sich hierzu auf die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts bezogen. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass jedenfalls nach Ablauf einer Zeitspanne von gut 15 Jahren seit dem Ende der Vorbeschäftigung eine Geltendmachung des damaligen Arbeitsverhältnisses als eine sogenannte Zuvorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG wegen Zeitablaufs nach § 242 BGB verwehrt sei. Gegen das am 05.12.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Berufung eingelegt. Die am 22.12.2016 eingegangene Berufung wurde mit am 26.01.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung des 7. Senates gegen den eindeutigen Wortlaut und Gesetzeszweck des Vorbeschäftigungsverbotes in § 14 Abs. 2 S.2 TzBfG verstoße. Die Auslegung des 7. Senates verlasse die Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung und sei verfassungswidrig.

Der Kläger und Berufungskläger stellt den Antrag:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 23.11.2016, Aktenzeichen 1 Ca 219/16 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 25.04.2014 vereinbarten Befristung am 30.04.2016 beendet worden ist.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Rechtsprechung des 7. Senats zur Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.

Für das gesamte Vorbringen der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Erklärungen zu Protokoll verwiesen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft. Sie setzt sich auch hinreichend mit den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinander (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch Ablauf der Befristungsdauer am 30.04.2016 beendet worden.

1.

Das Arbeitsverhältnis ist nicht wirksam nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ohne Sachgrund für die Dauer von zwei Jahren befristet worden.

a.

Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG k...

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