Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitteilungsfrist. Schwangerschaft. Klagefrist. Kündigung. schwangere Arbeitnehmerin. Dreiwöchige Klagefrist für schwangere Arbeitnehmerinnen bei Kündigungsschutzklagen ab Kündigungszugang, wenn die Schwangerschaft dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt wurde
Leitsatz (amtlich)
Nach der ab dem 01.01.2004 geltenden Rechtslage muss eine Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitteilen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) und zusätzlich innerhalb von drei Wochen nach diesem Zeitpunkt Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 Satz 1 KSchG). § 4 Satz 4 KSchG, wonach die Drei-Wochen-Frist erst ab Bekanntgabe der Zustimmungsentscheidung der Behörde an die schwangere Arbeitnehmerin in Gang gesetzt wird, gilt nur für den Fall, dass die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zuvor mitgeteilt hat. Kannte die Arbeitnehmerin den Umstand der Schwangerschaft im Kündigungszeitpunkt hingegen selbst nicht, eröffnet ihr § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Möglichkeit, binnen zwei Wochen ab Kenntnis die nachträgliche Zulassung der Klage zu beantragen.
Normenkette
ArbGG § 9 V, § 66 I 2; ZPO § 520 III Nr. 2; MuSchG § 9 I 1; KSchG § 4 Sätze 1, 4, § 1a I 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17.11.06 – 6 Ca 371/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Hilfsweise begehrt die Klägerin die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 17.385,04 EUR.
Die am 23.06.1967 geborene Klägerin arbeitete seit dem 01.01.1995 bei der Beklagten als Verkaufs- und Veranstaltungsleiterin gegen eine Bruttomonatsvergütung von 2.812,11 EUR zuzüglich einer Provision. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt.
Im Frühjahr 2005 trat bei der Klägerin eine Schwangerschaft ein, die sie der Beklagten zunächst nicht mitteilte. Mit Schreiben vom 30.06.2005, über dessen Zugang die Parteien streiten, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.10.2005. Ausweislich einer von dem Boten P. unterzeichneten Bestätigung wurde das Kündigungsschreiben am 30.06.2006 um 9:20 Uhr in den Hausbriefkasten geworfen. Die Fa. C. stellte der Beklagten Kosten für eine Zustellung am 30.06.2005 in Rechnung. Auf diese Urkunden wird Bezug genommen.
Das Kündigungsschreiben vom 30.06.2006 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„… Die Kündigung erfolgt aus dringenden betrieblichen Erfordernissen. Wir bieten Ihnen für den Fall, dass Sie gegen diese Kündigung keine Kündigungsschutzklage innerhalb der gesetzlichen Frist von 3 Wochen erheben, gemäß § 1 a KSchG die Zahlung einer Abfindung, berechnet auf der Grundlage eines halben Gehaltes pro Beschäftigungsjahr, an. Die Abfindung beläuft sich in Ihrem Fall auf fünf Bruttogehälter.
§ 1 a KSchG hat folgenden Wortlaut: …”
Unter dem vom 07.07.2005 schrieb der damalige Bevollmächtigte der Beklagten auszugsweise folgendes:
- „Das Kündigungsschreiben ging Frau A. am 01.07.2005 zu. Die Kündigung kann daher frühestens zum 30.11.2005 greifen.
- Im Übrigen ist die Kündigung unwirksam, weil Frau A. schwanger ist und dies im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits war. Insoweit verweise ich auf die als Anlage 1 beigefügte Bescheinigung der Frau Dr. R..
- Ungeachtet des Vorstehenden kann sich Frau A. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorstellen. Sie ist jedoch nicht bereit, das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der von Ihnen angebotenen Abfindung gemäß § 1 a KSchG zu beenden.”
In der Bescheinigung der Ärztin Dr. R. heißt es:
„Entbindungstermin ist der 27.02.2006. Letzter Arbeitstag: 15.01.2006”.
In einem Telefonat mit dem Ehemann der Geschäftsführerin am 08.07.2005 forderte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin von der Beklagten einen Betrag in Höhe von 30.000,00 EUR als Abfindung.
Dieses Angebot lehnte die Beklagte am 12.07.2005 (Zugang des undatierten Schreibens) ab und erklärte zusätzlich folgendes:
„Da Frau A. zum Zeitpunkt des Zugangs unserer Kündigung am 30.06.2005 um 9:20 Uhr bereits, wie von Ihnen nachgewiesen, schwanger war, verstößt unsere Kündigung gegen § 9 MuSchG, so dass sie nichtig ist.
Nur rein vorsorglich teilen wir Ihnen daher mit, dass wir aus der Kündigung vom 30.06.2005 keine Rechte gegenüber Frau A. mehr herleiten und somit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen anbieten.
Wir fordern Frau A. auf, nach dem Ende der derzeit bestehenden Arbeitsunfähigkeit ihre Arbeit zu den ihr bekannten Arbeitszeiten im Hotel P. wieder aufzunehmen.”
In den folgenden Tagen kam eine Verständigung über die Zahlung einer Abfindung und deren Höhe nicht zustande. In einem Telefonat am 19.07.2005 meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte für die Klägerin bei der Geschäftsführerin der Bekla...