Leitsatz (amtlich)
1. Die Schriftform des § 623 ist bei einer vom Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers ausgesprochen Schriftsatzkündigung grundsätzlich nur gewährt, wenn die dem Arbeitnehmer zugehende Abschrift vom Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers als Erklärenden unterzeichnet ist.
2. Ausnahmsweise ist die Schriftform des § 623 BGB auch gewahrt, wenn
- die dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers zugegangene Abschrift beglaubigt ist und der Arbeitgebers den Beglaubigungsvermerk selbst unterschrieben hat und
- die dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers zum Empfang der Kündigung bevollmächtigt ist.
Dies ist der Fall, wenn die Schriftsatzkündigung zur Rechtsverteidigung hinsichtlich eines anhängigen Rechtsstreits abgegeben worden ist, die Kündigung sich also auf den Streitgegenstand des anhängigen Prozess bezieht. Dies ist bei der Verbindung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO der Fall.
3. Zur Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung.
Normenkette
BGB § 623
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 21.06.2001; Aktenzeichen 2 Ca 184/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 21.06.2001 – 2 Ca 184/01 – teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001 nicht mit dem 18.04.2001 beendet worden ist, sondern bis zum 31.05.2001 fortbestanden hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden zu 2/3 dem Kläger, zu 1/3 dem Beklagten auferlegt.
3. Der Wert wird auf 6.199,08 DM festgesetzt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Lohn aus Annahmeverzug für die Zeit vom 18.04. bis zum 30.06.2001.
Der Kläger war als Tischler seit dem 10.05.1999 bei dem Beklagten beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz fand keine Anwendung, weil der Beklagte nur vier Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger verdiente durchschnittlich 2.600,00 DM brutto. Er war bis einschließlich Freitag, den 09.03.2001 arbeitsunfähig. Ab Montag, den 12.03.2001 erschien er nicht mehr zur Arbeit. Er meldete sich auch nicht telefonisch beim Beklagten. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legte er nicht vor. Der Beklagte versuchte wiederholt, den Kläger telefonisch zu erreichen. Ende März 2001 fand ein Telefonat zwischen dem Beklagten und dem Großvater des Klägers statt, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist. Im Anschluss an dieses Gespräch nahm der Kläger Kontakt zum Arbeitsamt auf. Der Beklagte erhielt am 05.04.2001 die Bescheinigung gemäß § 312 SGB III, übersandte daraufhin dem Kläger die Arbeitspapiere und rechnete das Arbeitsverhältnis für März 2001 ab. Den sich ergebenden Nettobetrag zahlte er an den Kläger aus.
Der Kläger erhob am 30.03.2001 Klage gegen eine seiner Auffassung nach am 28.03.2001 telefonisch erklärte Kündigung mit dem Antrag,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mündliche Kündigung des Beklagten vom 28.03.2001 nicht beendet ist, sondern unbefristet fortbesteht.
Mit Klagerwiderung vom 10.04.2001 sprach der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in dessen Namen wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung eine außerordentliche Kündigung aus. Dieser Schriftsatz war vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterschrieben. Ihm waren zwei Abschriften beigefügt. Die beglaubigte Abschrift, die in der Handakte des Prozessbevollmächtigten des Klägers verblieb, war nicht unterschrieben, enthielt jedoch einen vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk. Hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes wird auf die zur Akte gelangte Kopie der beglaubigten Abschrift (Bl. 50 f. d. A.) Bezug genommen. Die beglaubigte Abschrift ging dem Klägervertreter am 18.04.2001 zu. Am 19.04.2001 wurde dem Kläger die weitere einfache, nicht beglaubigte und nicht unterschriebene Abschrift des Schriftsatzes vom 10.04.2001 übergeben. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten war ausweislich der Prozessvollmacht vom 09.04.2001 (Bl. 6 d. A.) zum Ausspruch von Kündigungen bevollmächtigt.
Der Kläger erweiterte seine Klage mit Schriftsatz vom 18.04.2001 mit dem Antrag,
festzustellen, dass auch durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001, zugestellt am 18.04.2001, das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist, sondern unbefristet fortbesteht.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2001 kündigte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Arbeitsverhältnis vorsorglich nochmals fristgemäß. Der Schriftsatz ging dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.05.2001 zu. Diese Kündigung lässt der Kläger zum 30.06.2001 gegen sich gelten. Er begehrt nur noch die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 10.04.2001 und Zahlung des Entgelts für die Zeit vom 18.04. bis zum 30.06.2001.
Der Kläger erhielt für die Zeit vom 01.04. bis...