Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung. Zur Anmeldepflicht des Betriebsrates vor Inanspruchnahme seines Zugangsrechts
Leitsatz (amtlich)
Auf Verlangen des Arbeitgebers ist der Betriebsrat verpflichtet, sich vor Ausübung seines Zugangsrechts anzumelden und grob den Grund anzugeben.
Normenkette
BetrVG 1972 §§ 80, 2
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 13.10.1992; Aktenzeichen 9 BV 67/92) |
Tenor
I. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.10.1992 – 9 BV 67/92 – wird abgeändert.
II. Der Antrag des Betriebsrats wird insgesamt zurückgewiesen.
III. Die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Anmeldepflicht von Betriebsräten bei Aufsuchen von Betriebsabteilungen.
Die Arbeitgeberin sandte dem Betriebsratsvorsitzenden unter dem 20.06.1992 folgendes Schreiben:
„Sehr geehrter Herr S.
Aktivitäten von Betriebsräten – gerade im Zusammenhang mit den Warnstreiks am 12.04.1992 – haben in vielen Fachabteilungen zu Störungen im betrieblichen Ablauf geführt.
Um solche Störungen auf ein Minimum zu reduzieren, ersuchen mir Sie, Besuche von Betriebsräten in den Abteilungen auf das Notwendigste zu beschränken. Bei unumgänglichen Besuchen hat eine Anmeldung beim zuständigen Vorgesetzten unter kurzer Angabe des Besuchsgrundes zu erfolgen.
Wir hoffen im Sinne der vertrauensvollen Zusammenarbeit dafür auf ihr Verständnis und auf das aller – Betriebsräte und verbleiben
mit freundlichen Grüßen”
Mit Schreiben vom 14.07.1992 erläuterte sie die Angabe des Besuchsgrundes wie folgt:
„Unter der Formulierung „Angabe des Besuchsgrundes” beabsichtigen wir keine Offenbarungspflicht gegenüber dem Vorgesetzten, sondern mir verstehen z. B. die Nennung des Besuchsgrundes in Form von:
- „Information über Arbeitsplätze”
- „Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Betriebsratstätigkeit”
- „Information über Sozialräume”
- „Gespräch mit Mitarbeitern”
Der Betriebsrat hat hierauf das streitgegenständliche Beschlußverfahren eingeleitet mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Besuche von Mitgliedern des Betriebsrats in den Betriebsabteilungen zur Erledigung ihrer Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz ohne vorherige Anmeldung beim zuständigen Vorgesetzten und ohne Angabe von Gründen zu dulden.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 13.10.1992 die Arbeitgeberin verpflichtet, Besuche von Mitgliedern des Betriebsrats in den Betriebsabteilungen zur Erledigung ihrer Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu dulden ohne vorherige Anmeldung beim zuständigen Vorgesetzten, soweit Arbeitnehmer durch das Aufsuchen seitens des Betriebsrats nicht zur Einstellung ihrer Dienstleistung veranlaßt werden, und ohne Angabe von Gründen. Im übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen.
Mit der Beschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat mit der Anschlußbeschwerde sein Begehren weiterverfolgt, soweit der Antrag in erster Instanz abgewiesen wurde.
Die Arbeitgeberin trägt vor,
ein generelles Zugangsrecht zu den einzelnen Arbeitsplätzen habe der Betriebsrat nach der Rechtsprechung nicht. Er sei darüber hinaus verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, für welche konkreten Einzelaufgaben er das Zutrittsrecht in Anspruch nehme. Im übrigen könne das Betriebsratsbüro, in dem sieben freigestellte Betriebsratsmitglieder tätig seien, während der Arbeitszeit jederzeit nach vorheriger Abmeldung beim Vorgesetzten von Arbeitnehmern aufgesucht werden.
Die vom Erstgericht vorgenommene Einschränkung sei rechtlich nicht nachvollziehbar, nicht praktisch und auch nicht umsetzbar. Die Arbeitgeberin stellt folgende Anträge:
- Der Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.10.1992 – 9 BV 67/92 – wird abgeändert.
- Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Betriebsrat stellt folgenden Antrag:
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 03.03.1993 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.10.1992 wird zurückgewiesen,
Er trägt vor,
wenn auch sein Zugangsrecht nur in Ausübung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben bestehe, bestehe es doch unabhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers und unabhängig davon, ob in der Person des Arbeitnehmers ein konkreter Besuchsanlaß bestehe und der Zeitpunkt mit dem Arbeitgeber abgestimmt sei.
Eine Angabe des Besuchsgrundes würde eine Kontrolle der Betriebsarbeit ermöglichen, die das Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsrat und Belegschaft erheblich beeinträchtigen würde.
Darüber hinaus sei die Einschränkung des Zugangsrechts durch das Erstgericht nicht berechtigt.
Es sei eine recht theoretische Sichtweise, anzunehmen, bei jedem Wortwechsel müsse der einzelne Arbeitnehmer irgendeine Person oder den Vorgesetzten informieren. Auch für evtl. notwendig werdende längere Diskussionen am Arbeitsplatz sei eine vorherige Anmeldung weder notwendig noch sinnvoll und nicht praktikabel.
Die Begründung des Erstgerichts würde auch im Verwaltungsbereich nicht tragen. Im Produktionsbereich bestehe ohnehin eine Verpflichtung des betroffenen Arbeitnehmers, sich beim jeweiligen Vor...