Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Verfügung/Arrest
Leitsatz (amtlich)
1. Zumindest dann, wenn der Betriebsratsvorsitzende auskunftsbereit ist, muss der die Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG einklagende Arbeitnehmer sich näher äußern, falls der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 2 BetrVG bestreitet.
2. Sind im Widerspruch des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG die für sozial stärker gehaltenen Arbeitnehmer nicht konkret benannt, muss der die Weiterbeschäftigung einklagende Arbeitnehmer im einzelnen darstellen, warum aus den allgemeinen Angaben für den Arbeitgeber eindeutig ersichtlich ist, welche Arbeitnehmer gemeint sind.
3. Die Widerspruchsbegründung, der Arbeitnehmer könne mit seinen bisherigen Arbeiten weiterbeschäftigt werden, genügt den Anforderungen des § 102 Abs. 3 BetrVG ebenso nicht wie die Begründung, nach Fortbildung könne der Arbeitnehmer auf einem neu einzurichtenden Arbeitsplatz anderen Beschäftigten zuarbeiten.
4. Die Kammer bleibt dabei, dass auch für die Weiterbeschäftigungsverfügung nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG ein Verfügungsgrund erforderlich ist.
5. Betreibt der Arbeitnehmer das Verfügungsverfahren nicht mit dem nötigen Nachdruck – was etwa durch Einreichen der Berufungsbegründung erst nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum Ausdruck kommt –, zeigt er, dass ein Eilbedürfnis offenbar nicht gegeben ist.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 3, 5; ZPO § 935
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 08.04.2004; Aktenzeichen 10 Ga 44/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.04.2004 – Az. 10 Ga 44/04 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Pflicht des Arbeitgebers, einen gekündigten Arbeitnehmer wegen eines Widerspruches des Betriebsrats nach § 102 Abs. 5 BetrVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung weiterzubeschäftigen.
Die Antragstellerin ist seit 01.06.2000 im Betrieb der Antragsgegnerin als Sekretärin beschäftigt. Sie erhielt zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 3.108,50 EUR. Im Betrieb sind wesentlich mehr als fünf Arbeitnehmer tätig. Mit Schreiben vom 29.12.2003 kündigte die Antragsgegnerin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.03.2004. Hiergegen hat die Antragstellerin Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 10 Ca 102/04 geführt wird; das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der im Beschäftigungsbetrieb bestehende Betriebsrat hat sich mit Schreiben vom 19.12.2003 – Anlage K 6 zur Antragsschrift, Bl. 21 f. d.A. – wie folgt geäußert:
„zu der am 19.12.2003 dem Betriebsrat überreichten Anhörung zur Kündigung von Fr. A… erhalten Sie im Folgenden den Widerspruch des Betriebsrates:
Zunächst ist laut Vereinbarung (zur Verbesserung des Geschäftsergebnisses 2003) vom 25.07.2003 keine betriebsbedingte Kündigung bis 31.12.2003 möglich.
Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 19.12.2003 beschlossen, der von ihnen beabsichtigten betriebsbedingten ordentlichen Kündigung der Frau A… zum 31.03.2004 gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG zu widersprechen.
Es liegt für uns kein erkennbarer Grund für eine betriebsbedingte Kündigung vor, bei den aufgeführten Gründen beziehen wir uns auf folgende Widerspruchsgründe:
Nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Abs. 3 Nr. 1 wäre die Kündigung des Mitarbeiters sozial ungerechtfertigt, da in unserer Firma Mitarbeiter mit vergleichbarer Ausbildung (kaufmännisch) beschäftigt sind, die wesentlich jünger sind und eine wesentlich kürzere Betriebszugehörigkeit besitzen bzw. nach Abschluss der Ausbildung in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden sollen bzw. bereits übernommen wurden.
Der Tätigkeitsbereich von Fr. A… ist definiert als Sekretärin Vertrieb, Telefonzentrale und Empfang sowie die Vertretung des jetzt entfallenen Geschäftsleitungssekretariats. Auch die Abwicklung der Geschäftsreisen (Flugbuchungen, Leihautos usw.) liegt im Aufgabenbereich von Fr. A…. All diese Tätigkeiten entfallen auch in Zukunft nicht.
Auf Grund der kaufmännischen Ausbildung könnte Fr. A… durch Fortbildung auf unserer innerbetriebliches EDV-System auch unterstützend für andere Bereiche mitarbeiten.
Außerdem besitzt Fr. A… sehr gute Fremdsprachenkenntnisse und eine außerordentlich angenehme Art, mit Menschen umzugehen. Nach Meinung des Betriebsrates ist Fr. A… besser für die aufgeführten Tätigkeiten geeignet als die Personen der aufgeführten Bereiche.
Für den Betriebsrat hat es den Anschein, dass Fr. A… gekündigt werden soll, weil sie bei den Einsparmaßnahmen (laut Vereinbarung zur Verbesserung des Geschäftsergebnisses 2003) den von ihr geforderten Gehaltsverzicht nicht zugestimmt hat.
Deshalb fordert der Betriebsrat die Geschäftsleitung auf, Fr. A… weiterzubeschäftigen. Sollten Sie dennoch eine Kündigung aussprechen, wird der Betriebsrat Fr. A… ausdrücklich auf ihre...