Entscheidungsstichwort (Thema)
Behandlung von Minusstunden nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Keine Einbringung von Minusstunden bei Freistellung des Arbeitnehmers. Erledigung des Arbeitszeitkontos durch Ausgleichsklausel in einem Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Befinden sich auf dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden noch Minusstunden, darf der Arbeitgeber Entgelt hierfür nur kürzen bzw. zurückfordern, wenn dies arbeitsvertraglich vereinbart ist.
2. Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt und haben die Parteien in einem Vergleich Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbart, ist dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Einbringung der Minusstunden genommen. Dies geht zu Lasten des Arbeitgebers.
3. Eine Klausel im Vergleich, die besagt, dass die Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben erfolgt, ist ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte dahingehend zu verstehen, dass auch eventueller Streit über den Stand des Arbeitszeitkontos beseitigt werden soll und auch Minusstunden nicht mehr geltend gemacht werden können.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 779
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Entscheidung vom 13.10.2020; Aktenzeichen 2 Ca 200/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten und Widerklägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 13.10.2020, Az. 2 Ca 200/20, wird auf Kosten der Beklagten und Widerklägerin zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über Rückforderungsansprüche des ehemaligen Arbeitgebers an den Arbeitnehmer insbesondere im Hinblick auf die geleistete Sonderzahlung und auf Ausgleich des im Minus stehenden Arbeitszeitkontos.
Der Kläger war bei der Beklagten im Zeitraum 01.10.2018 bis 31.12.2019 beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst außerordentlich am 21.10.2019. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines im Verfahren 6 Ca 1236/19 vor dem Arbeitsgericht Würzburg, Kammer Aschaffenburg, am 21.11.2019 geschlossenen Vergleichs aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31.12.2019. In diesem Vergleich ist, soweit vorliegend von Interesse, folgendes vereinbart (Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 ff. d.A.):
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher, betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 21.10.2019 mit Ablauf des 31.12.2019.
2. Die beklagte Partei hält die im Zusammenhang mit der Kündigung erhobenen Vorwürfe nicht aufrecht.
3. Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben in Natur eingebracht sind.
4. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger aus, soweit noch nicht geschehen und vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf Dritte.
5. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, auf Basis des bereits erteilten Zwischenzeugnisses vom 24.07.2019 und mit einer dreigeteilten Schlussformel (Dank, Bedauern, Wunsch).
6. Darüber hinaus bestehen aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keine finanziellen Ansprüche mehr.
7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
8. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn ...
Der Vergleich wurde nicht widerrufen. Die Beklagte erteilte mehrere Abrechnungen (Anlagenkonvolut zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23.06.2020, Bl. 39 ff. d.A.).
Mit seiner am 21.02.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Nachzahlung bestimmter Bruttobeträge abzüglich ausgezahlter Nettobeträge begehrt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.07.2020 Widerklage auf Rückzahlung überzahlter Beträge erhoben, die sich insbesondere auf die Erstattung eines Minusbestandes von 40,33 Stunden aus dem geführten Arbeitszeitkonto und Überzahlungen wegen an den Kläger geleisteten Nettobeträgen trotz bestehender Überleitung von Ansprüchen auf die Arbeitsagentur ergeben.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.818,79 Euro brutto abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 10.800,34 Euro netto sowie abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit für Oktober 2019 gezahlter 567,63 Euro sowie November 2019 gezahlte 1.922,10 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 5.267,43 Euro seit dem 01.11.2019, aus 8.969,38 Euro seit dem 01.12.2019 sowie aus 5.581,98 Euro seit dem 01.01.2010 zu zahlen..
Der Beklagte hat beantragt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 2.498,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 24.01.2020 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Würzbur...