Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungspflicht von Fahrtzeiten nach Arbeitsantritt
Leitsatz (redaktionell)
Es stellt sich als unangemessene Benachteiligung eines Arbeitnehmers dar, wenn Fahrtzeiten nach Antritt der Arbeit nicht vergütet werden und damit das unternehmerische Risiko auf den Arbeitnehmer übergewälzt wird.
Normenkette
BGB §§ 611, 307 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 19.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 382/12) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 19.12.2012 - 4 Ca 382/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie darüber, ob die Klägerin noch die Zahlung von Arbeitsentgelt von der Beklagten verlangen kann.
Die Klägerin war bei der Beklagten zumindest seit dem 02.05.2012 beschäftigt. Die Arbeit bestand darin, Auf- und Umbauten von Regalen im Einzelhandel vorzunehmen und insbesondere Regale aufzufüllen. Die Klägerin wurde mit ihren Kollegen in P. abgeholt und dann zu den Geschäften, die teilweise in B., K. oder T. gelegen waren, gefahren. Vereinbart war ein Arbeitsentgelt von 8,50 € pro Arbeitsstunde. Hinsichtlich der Tätigkeitszeiten im Einzelnen - einschließlich der Fahrtzeiten ab Abholungspunkt in P. - wird auf die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung (S. 2, 3 = Bl. 77, 78 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat am 21.05.2012 eine telefonische Kündigung mit "sofortiger Wirkung" erklärt, die sie per E-Mail am 23.05.2012 (vgl. Bl.5 d.A.) bestätigt hat.
Mit Schreiben vom 30.07.2012, zugegangen am gleichen Tag, hat die Beklagte des Weiteren schriftlich eine Kündigung zum 15.08.2012 erklärt; hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 30 d.A. Bezug genommen
Die Klägerin hat vorgetragen,
es gebe keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Den von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Arbeitsvertragsentwurf sehe sie das erste Mal. Es sei keine Probezeit vereinbart worden und auch nicht, dass die Fahrtzeit zu den Märkten nicht vergütet werde. In der Zeit vom 01.05. bis 21.05.2012 habe sie durchschnittlich 50 Stunden in der Woche und damit 10 Stunden am Tag gearbeitet. Die telefonische Kündigung sei ebenso wie die Kündigung durch E-Mail nach § 623 BGB unwirksam. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass sie nur die Zeit vergüte, die sie, die Beklagte den Kunden für die Arbeit im Handelsgeschäft in Rechnung stelle, sei dies zum einen nicht vereinbart worden und zum anderen rechtsunwirksam. Denn dies bedeute eine unzulässige Überwälzung des Unternehmerrisikos auf den Arbeitnehmer. Tatsächlich habe die Klägerin sogar noch mehr gearbeitet, als die Zeiten, die die Beklagte eingeräumt habe
Hinsichtlich der Berechnung der Klageforderung wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (S. 3 = Bl. 78 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 01.05.2012 ein Arbeitsverhältnis besteht,
2.
die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 3.885,-- € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2012 zu zahlen,
3.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 30.07.2012 zum 15.08.2012 beendet worden ist, sondern bis zum 31.08.2012 fortbestanden hat sowie
4.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.700,-- € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten seit 20.08.2012 zu zahlen, sowie im Falle des Obsiegens mit Antrag Ziffer 3) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.125,-- € brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
tatsächlich existiere ein schriftlicher Arbeitsvertrag, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 13 ff. d.A. Bezug genommen wird, den die Klägerin allerdings trotz Aufforderung nicht unterzeichnet habe. Im Vorstellungsgespräch sei vereinbart worden, dass eine 3-monatige Probezeit gelte und außerdem ausdrücklich, dass die Fahrtzeit nicht bezahlt werde. Die Klägerin habe insgesamt vom 02.05 bis 21.05.2012 nur 57,20 Stunden gearbeitet. Nach der telefonischen Kündigung sei die Klägerin nicht mehr erschienen und habe ihre Arbeitskraft nicht angeboten. Zumindest die spätere Kündigung zum 15.08.2012 sei rechtswirksam. Wenn die Beklagte die Fahrtzeiten bezahlen müsse, bleibe kein Gewinn mehr übrig.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat daraufhin durch Urteil vom 19.12.2012 - 4 Ca 382/12 - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.366,00 EUR brutto, weitere 1.683,00 EUR brutto, weitere 1.759,00 EUR brutto jeweils zuzüglich Zinsen an die Klägerin zu zahlen und des Weiteren festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündi...