Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaftsdienst. Arbeitszeit. Ruhezeit. Verkürzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Handelt es sich bei einem Bereitschaftsdienst, den ein Arbeitnehmer in einem Krankenhaus ableistet, generell um Arbeitszeit i.S.v. Art. 2 Ziff. 1 der RiL 93/104 EG (Juris: EGRL 104/93), und zwar auch insoweit, als es dem Arbeitnehmer in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist, zu schlafen?
  2. Verstößt eine Regelung im nationalen Recht, mit der Bereitschaftsdienst als Ruhezeit bewertet wird, soweit nicht eine Inanspruchnahme erfolgt, dergestalt, dass sich der Arbeitnehmer in einem Krankenhaus in einem ihm zur Verfügung gestellten Raum aufhält und auf Aufforderung die Arbeit aufnimmt, gegen Art. 3 der RiL 93/104 EG?
  3. Verstößt eine nationale Regelung, die eine Kürzung der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen dergestalt zulässt, dass Zeiten der Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, gegen RiL 93/104 EG?
  4. Verstößt eine nationale Regelung, die es zulässt, dass in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung zugelassen werden kann, dass Ruhezeiten bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft den Besonderheiten dieser Dienste angepasst werden, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieser Dienste zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, gegen RiL 93/104 EG?
 

Normenkette

RiL 93/104 EG vom 23.11.1993; ArbZG § 5 Abs. 3, § 7 Abs. 2; BAT § 15 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Beschluss vom 08.11.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2113 d/01)

 

Tenor

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Handelt es sich bei einem Bereitschaftsdienst, den ein Arbeitnehmer in einem Krankenhaus ableistet, generell um Arbeitszeit i.S. des Art. 2 Ziff. 1 der RiL 93/104 EG, und zwar auch insoweit, als es dem Arbeitnehmer in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist, zu schlafen?
  2. Verstößt eine Regelung im nationalen Recht, mit der Bereitschaftsdienst als Ruhezeit bewertet wird, soweit nicht eine Inanspruchnahme erfolgt, dergestalt, dass sich der Arbeitnehmer in einem Krankenhaus in einem ihm zur Verfügung gestellten Raum aufhält und auf Aufforderung die Arbeit aufnimmt, gegen Art. 3 der RiL 93/104 EG?
  3. Verstößt eine nationale Regelung, die eine Kürzung der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen dergestalt zulässt, dass Zeiten der Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, gegen RiL 93/104 EG?
  4. Verstößt eine nationale Regelung, die es zulässt, dass in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung zugelassen werden kann, dass Ruhezeiten bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft den Besonderheiten dieser Dienste angepasst werden, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieser Dienste zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, gegen RiL 93/104 EG?
 

Tatbestand

A. Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob der durch die Beklagte angeordnete Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit (so der Kläger) oder als Ruhezeit (so die Beklagte) zu werten ist. Dabei ist ausschließlich die arbeitsschutzrechtliche Seite der Bereitschaftszeiten, nicht dagegen die vergütungsrechtliche, berührt.

Der Kläger ist seit dem 1.5.1992 als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Beklagten mit ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (d.i. 28,875 Stunden wöchentlich) beschäftigt. Darüber hinaus ist er durch Nebenabrede verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu leisten. Diese werden der Stufe D der Nr. 8 Abs. 2 der Anlage 2 c zum BAT (SR 2 c BAT) zugewiesen. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag die Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) vereinbart.

Der Kläger leistet im Monat regelmäßig sechs Bereitschaftsdienste, die teils durch Freizeit und teils durch zusätzliche Vergütung abgegolten werden. Der Bereitschaftsdienst beträgt je Dienst wochentags 16 Stunden, samstags 25 Stunden (08:30 h Sonnabendmorgen bis 09:30 h Sonntagmorgen) und sonntags 22 Stunden 45 Min. (08:30 h Sonntagmorgen bis 07:15 h Montagmorgen). Die Bereitschaftsdienste sind dergestalt organisiert, dass sich der Kläger in der Klinik aufhält und dort auf Anordnung der Beklagten hin ggfs. anfallende Arbeiten erledigt. Dem Kläger steht für die Zeiten, in denen er nicht herangezogen wird, ein Zimmer zur Verfügung, in dem sich auch ein Bett befindet und in dem er ggf. schlafen darf. Die Angemessenheit der Unterkunft ist str...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge