LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.1.2023, 6 Sa 139/22 E
Leitsatz (amtlich)
1. Die sachbearbeitenden Tätigkeiten einer Sachgebietsleiterin innerhalb des von ihr geleiteten Sachgebiets sind mit ihren Leitungstätigkeiten als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu qualifizieren.
2. Die Grundsätze zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung finden keine Anwendung, wenn die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin zwar vertrauensbildend ein Heraushebungsmerkmal in Bezug auf einen Arbeitsvorgang, der nach ihrer Auffassung ein Drittel der Gesamttätigkeit ausmacht, bestätigt hat, vom Gericht jedoch ein Neuzuschnitt des eingruppierungsrelevanten Arbeitsvorgangs vorgenommen wird, wonach dieser zumindest die Hälfte der Gesamtarbeitszeit ausmacht.
Sachverhalt
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit Ende 2019 als Sachgebietsleiterin tätig. Der TVöD-VKA findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Klägerin war vergütet nach der EG 10, verlangte nun jedoch die Eingruppierung in die EG 11. Sie begründete dies damit, dass sich der Anspruch aus der ihr zugewiesenen Sachgebietsleitung ergebe; denn die von ihr geschuldeten Tätigkeiten "Leitung des Sachgebiets Personal und Organisation" sowie "Personal-, Organisation-, Grundsatzangelegenheiten/ Berichtswesen" würden einen einzigen Arbeitsvorgang im Umfang von 75 % ihrer Gesamtarbeitszeit darstellen. Erstmals im vorliegenden Rechtstreit behauptete die Beklagte, dass die von ihr selbst vorgenommene Eingruppierung der Klägerin in EG 10 fehlerhaft sei und sich ihre Tätigkeit nicht zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der EG 9c EGO/TVöD-VKA heraushebe.
Entscheidung
Die Klage hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung nach der EG 11 habe.
Bezugspunkt der tariflichen Bewertung sei der Arbeitsvorgang. Bei den Tätigkeiten der Klägerin handelte es sich nach Auffassung des Gerichts um einen einheitlichen Arbeitsvorgang mit dem Arbeitsergebnis, sich der umfassenden Leitung des Sachgebiets anzunehmen. Alle Tätigkeiten seien darauf gerichtet, die im Sachgebiet der Klägerin anfallenden Aufgaben bestmöglich zu bewältigen und somit ihre Leitungsaufgabe auszuüben, auch wenn sie sich gerade mit anderen als originären Führungsaufgaben beschäftigt.
Die Klägerin hatte jedoch weder ausreichend dargelegt noch bewiesen, dass ihre Tätigkeit den Merkmalen der EG 11 entsprechen, obwohl ihr dafür die Darlegungs- und Beweislast oblegen habe. Dass die Beklagte im Verfahren vorgetragen hatte, die Klägerin sei richtigerweise in EG 9c einzugruppieren, ändere daran nichts; denn die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung waren hier nicht anzuwenden, da diese, sofern dies überhaupt in Betracht kommen würde, gar nicht streitgegenständlich waren.
Anmerkung:
Das Urteil folgt der ständigen Rechtsprechung des BAG, wonach leitende Funktionen und Überwachungsfunktionen zur Bildung großer Arbeitsvorgänge führen. Hiernach sind Leitungstätigkeiten als ein einziger Arbeitsvorgang anzusehen, und zwar auch dann, wenn der Leiter einer Organisationseinheit selbst Sachbearbeitungsaufgaben wahrnimmt, die innerhalb des von ihm betreuten Bereichs anfallen. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich nach Auffassung des BAG um bloße Zusammenhangstätigkeiten (s. hierzu Beitrag Eingruppierung).