Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Versicherungsfreiheit. Steuerberaterin bei einer Steuerberatungsgesellschaft. Freier-Mitarbeiter-Vertrag. Unternehmerrisiko. Umsatzbeteiligung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit einer Steuerberaterin bei einer Steuerberatungsgesellschaft unterliegt nicht der Sozialversicherungspflicht ("freie Mitarbeiterin"), wenn die Steuerberaterin nur bestimmte, vorab ausgewählte Mandanten betreut und die Bezahlung ausschließlich in Form eines Anteils am mit diesen Mandanten erzielten Umsatz erfolgt.
Normenkette
SGB III § 25 Abs. 1; SGB IV § 7 Abs. 1; SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.11.2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in der Tätigkeit der Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 07.02.2011 bis 31.12.2011 für die Klägerin als Steuerberaterin Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft. Die Beigeladene zu 4) war bis Januar 2011 bei der Klägerin als Finanzwirtin gegen ein monatliches Festgehalt abhängig beschäftigt. Nach Ablegen des Steuerberaterexamens machte sich die Beigeladene zu 4) mit einem eigenen Steuerberatungsbüro selbstständig. Zusätzlich schloss sie mit der Klägerin einen “Freier-Mitarbeiter-Vertrag - für Berufsangehörige„, der ua folgende Regelungen enthielt:
§ 1 Vertragsgegenstand
(1) Der freie Mitarbeiter übernimmt ab dem 07.02.2011 für den Auftraggeber freiberufliche steuerberatende Tätigkeiten für dessen Mandanten dazu zählen insbesondere die Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen. Dem freien Mitarbeiter steht das Recht zu, einzelne Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen; die Ablehnung ist dem Auftraggeber gegenüber unverzüglich anzuzeigen.
(2) Der freie Mitarbeiter übernimmt die nachfolgend näher bezeichneten Einzelaufträge: - vgl. Auflistung in der Anlage
(3) Der freie Mitarbeiter führt die ihm übertragenen Aufträge nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Berufsausübung selbstständig und eigenverantwortlich durch. Die Bearbeitung erfolgt ausschließlich in den Räumen des Auftraggebers in N. bzw. Ö.
§ 3 Vergütung
(1) Als Vergütung für die freiberufliche Tätigkeit wird ein umsatzabhängiges Honorar von 50 v.H. zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer vereinbart. Maßgebend ist der EDV-mäßig ausgewiesene Umsatzanteil des freien Mitarbeiters an dem jeweils bearbeiteten Fall.
(2) Alle sonstigen Auslagen und Aufwendungen sind durch vorstehende Vereinbarung abgedeckt.
(3) Kosten für den eigenen Bürobetrieb und sonstige Kosten des freien Mitarbeiters werden vom Auftraggeber nicht erstattet; diese trägt ausschließlich der freie Mitarbeiter.
(4) - (6) […]
§ 4 Weitere Tätigkeiten
(1) Dem freien Mitarbeiter ist die Annahme weiterer Aufträge von anderen Auftraggebern ausdrücklich gestattet.
(2) Der freie Mitarbeiter ist auch berechtigt, eigene Mandanten außerhalb dieses Auftragsverhältnisses zu akquirieren, zu betreuen und abzurechnen.
§ 5 Mitwirkung Dritter
Der freie Mitarbeiter hat die Aufträge selbst zu erledigen. Die Hinzuziehung bei ihm beschäftigter Personen oder anderer qualifizierter Dritter kann nur durch Absprache im Einzelfall erfolgen.
§ 7 Haftung/Versicherung
(1) Der freie Mitarbeiter, der neben der freien Mitarbeit auch eigene Mandate betreut, haftet dem Auftraggeber gegenüber nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für alle Schäden, die er oder seine Erfüllungsgehilfen im Rahmen der Ausführung dieses Auftrages verursachen. Der freie Mitarbeiter bestätigt, dass er eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von 250.000 € abgeschlossen hat und aufrechterhalten wird.
(2) Der Auftraggeber hat Anspruch auf die Beseitigung etwaiger Mängel. Beseitigt der freie Mitarbeiter die geltend gemachten Mängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist oder lehnt er die Mängelbeseitigung ab, so kann der Auftraggeber auf Kosten des freien Mitarbeiters die Mängel beseitigen oder beseitigen lassen.
§ 8 Mitwirkung des Auftraggebers
(1) […]
(2) Der Auftraggeber hat alles zu unterlassen, was die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des freien Mitarbeiters beeinträchtigen könnte. Insbesondere sind weder der Auftraggeber noch die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber dem freien Mitarbeiter hinsichtlich des Arbeitsortes, der Arbeitszeit und der Art der Durchführung des Auftrages weisungsbefugt. Der freie Mitarbeiter hat gegenüber den Arbeitnehmern des Auftraggebers kein Weisungsrecht.
Dem Vertrag war eine Liste von Mandanten beigefügt, die von der Beigeladenen zu 4) betreut werden sollten. Dabei handelt es sich teilweise um Mandanten, die von ihr auch schon vorher in der abhängigen Beschäftigung be...