Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Quasi-Berufskrankheit. haftungsbegründende Kausalität. neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. hüftgelenkbelastende Tätigkeit. Coxarthrose. Werkzeugmacher/Fräser
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung einer Coxarthrose bei einem Werkzeugmacher und Fräser als "Quasi-Berufskrankheit" gem § 9 Abs 2 iV mit Abs 1 S 2 SGB 7 mangels Vorliegens neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft bzgl des Zusammenhangs einer hüftgelenkbelastenden Tätigkeit und eines signifikant erhöhten Coxarthrose - Erkrankungsrisikos.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 26. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine beidseitige Hüftgelenkserkrankung des Klägers wie eine Berufskrankheit (BK) zu entschädigen ist.
Der Kläger absolvierte nach seiner Schulausbildung eine Lehre als Werkzeugmacher von 1959 bis 1963 und war im Anschluss daran bei verschiedenen Arbeitgebern als Werkzeugmacher und Fräser beschäftigt. Ab 23.03.2001 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Im Dezember 2001 wurde ihm im Universitätsklinikum Ulm in die linke Hüfte eine zementfreie Hüftgelenks-Totalendoprothese implantiert. Seit Februar 2002 bezieht er Erwerbsunfähigkeitsrente.
Im Juli 2001 erstattete Dr. S. bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK wegen eines Wirbelsäulensyndroms und Tinnitus, wobei die Rückenbeschwerden auf ständiges Stehen und schweres Heben, Tragen und Bücken zurückgeführt wurden (BK-Anzeige vom 10.7.2001). Die Beklagte holte Auskünfte der behandelnde Ärzte, Angaben des letzten Arbeitgebers und ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK vom 03.09. bzw. 28.09.2001 ein. In dem von der Beklagten veranlassten Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 21.11.2001 wurde eine außergewöhnliche oder einseitige Belastung der Hüftgelenke bei den Tätigkeiten als Werkzeugmacher bzw. Fräser wie auch eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit nach der Berechnung des Mainz-Dortmund-Dosismodells verneint. Der Staatliche Gewerbearzt Dr. J. verwies in seiner Stellungnahme vom 10.04.2002 darauf, dass eine Hüftgelenkserkrankung nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sei und auch nicht über § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII anerkannt werden könne. Die Beklagte holte vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) die Auskunft vom 20.05.2002 ein zu der Frage, ob in der dort geführten Dokumentation Hüftgelenkserkrankungen enthalten seien, die als Quasi-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt wurden. Der HVBG verneinte eine bisherige Anerkennung, wies aber darauf hin, dass der Ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, beim Verordnungsgeber, dem Bundesministerium für Gesundheit und sozialer Sicherung (BMG), sich derzeit mit der Thematik "Extremitäten-Gelenksarthrosen" befasse. Im Hinblick auf Hüftgelenksarthrosen werde aber nur das Heben und Tragen schwerer Lasten als krankheitsursächlich diskutiert. Die Beklagte lehnte in jeweils gesondert geführten Feststellungsverfahren die Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit (Bescheid vom 27.11.2001) und bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (Bescheid vom 27.03.2002) als BK ab.
Mit Bescheid vom 11.06.2002 lehnte sie im vorliegenden Verfahren die Gewährung von Entschädigungsleistungen für die beidseitige Hüftgelenksarthrose ab. Eine Hüftgelenkserkrankung sei in der Berufskrankheitenliste nicht angeführt, eine Entschädigung als BK sei daher nicht möglich. Eine Entschädigung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII scheitere daran, dass keine neuen medizinischen Erkenntnisse seit der letzten Ergänzung der Berufskrankheitenliste vorlägen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31.07.2002).
Der Kläger erhob am 23.08.2002 Klage beim Sozialgericht Ulm mit dem Begehren, eine Quasi-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen und zu entschädigen. Die Beklagte verwies auf das vorgelegte Schreiben des BMG vom 19.12.2002, das an das Sozialgericht Leipzig gerichtet war. Darin erteilte das BMG die Auskunft, dass der Ärztliche Sachverständigenbeirat zu der Fragestellung “Arthrosen der großen Gelenke„ die Beratungen aufgenommen habe. Die Thematik sei aber gerade im Hinblick auf außerberufliche Einflussfaktoren sehr komplex, weshalb im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen sei, wann mit einem Ergebnis gerechnet werden könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2003 wies das SG die Klage ab. Gem. § 9 Abs. 2 SGB VII seien Krankheiten, die nicht in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bezeichnet seien, wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung in der Berufskrankheiten-Liste erfüllt seien. D...