Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. keine Übernahme des Schulgeldes für den Besuch eines Berufsvorbereitungsjahres an einer Privatschule. Betroffenheit des Kernbereichs pädagogischer Arbeit. Voraussetzungen der Leistungserbringung durch eine nicht vertragsgebundene Einrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Das zur Finanzierung des Unterrichts an einer Privatschule für den Besuch eines Sonder-Berufsvorbereitungsjahres zu entrichtende Schulgeld stellt keine Leistung der Eingliederungshilfe iS des § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 dar.
2. Die Leistungserbringung durch eine nicht vertragsgebundene Einrichtung nach § 75 Abs 4 S 1 SGB 12 setzt voraus, dass der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden kann (objektive Unmöglichkeit) oder die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem Hilfebedürftigen nicht zumutbar ist (subjektive Unmöglichkeit), wobei das Wunsch- und Wahlrecht des Hilfeempfängers keine Besonderheit des Einzelfalles begründet.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtstreit die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) in Form der Erstattung der Kosten für das von ihr absolvierte Sonder-Berufsvorbereitungsjahr (Sonder-BVJ) im Schuljahr 2008/2009.
Die 1991 geborene Klägerin, bei der das Landratsamt B. einen Grad der Behinderung von 50 sowie das Merkzeichen “G„ festgestellt hat, leidet an einer konnatalen Zwerchfellhernie, einem Zustand nach extrakorporaler Beatmung, einer bronchopulmonalen Dysplasie mit pulmovaskulären Veränderungen, einer offenen Ductus arteriosos mit pulmonaler Hypertension und einem Zustand nach operativem Verschluss, wodurch ihre körperliche Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt ist.
Die Klägerin besuchte einen Regelkindergarten und den G-Hof Ü., eine Sonderschule für Erziehungshilfen, die sie mit der Zusatzprüfung zum Erwerb eines dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Bildungsabschlusses im Sommer 2008 beendete. Im Schuljahr 2008/2009 absolvierte sie das Sonder-BVJ an der staatlich anerkannten Schule in Ü., die Leistungen der Erziehungshilfe im Rahmen der Jugendhilfe erbringt und über keinen Vertrag im Sinne des § 76 SGB XII mit einem Sozialhilfeträger verfügt. Die Eltern der Klägerin hatten mit dem Schulträger, dem Verein zur Förderung junger Menschen e.V., mit Wirkung zum 01. August 2008 einen “Schulvertrag BVJ„ abgeschlossen und sich zur Entrichtung eines Schulbeitrages in Höhe von monatlich 281,20 € verpflichtet. Der Vertrag enthält folgende Zusatzvereinbarung: “Wenn das Jugendamt das Schulgeld nicht mehr übernimmt, wird der Schulbeitrag neu verhandelt. (Bis das Jugendamt bezahlt, werden 110 € eingezogen)„. Die Eltern entrichteten in der Zeit von August 2008 bis Juli 2009 monatlich 110 € an den Schulträger.
Am 14. September 2009 nahm die Klägerin eine dreijährige Ausbildung zur Bürokauffrau an der Sonderberufsfachschule O. in W. auf; der Beklagte übernahm die Kosten für die teilstationäre Leitung der Sonderberufsfachschule als Eingliederungshilfe (Bescheid vom 27. Juni 2013).
Die Agentur für Arbeit Ü. hatte im März 2008 nach Abschluss der Schulpflicht die Durchführung eines Sonder-BVJ empfohlen, da die Klägerin aktuell noch nicht berufs- bzw. berufswahlreif sei und sich persönlich und schulisch noch weiter entwickeln müsse. Der Besuch eines Regel-BVJ sei nicht zielführend. Günstig wäre für ihre weitere Entwicklung ein Schulort, bei dem nicht schon der Pendelweg sie an die Grenze ihrer körperlichen Belastbarkeit bringe. Die von der Klägerin gewünschte Beschulung an der Schule Ü. entspräche diesen Anforderungen.
Am 20. Februar 2008 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und legte ein ärztliches Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Buch vom 21. Februar 2008 vor, wonach es für die Klägerin sinnvoll sei, das Sonder-BVJ in Ü. an der -Schule zu machen.
Mit Bescheid vom 10. April 2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Schule als Schule für Erziehungshilfen sei eine Einrichtung der Jugendhilfe und Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen könnten dort nicht gewährt werden. Für ein Sonder-BVJ im Rahmen der Eingliederungshilfe stünden Einrichtungen der Eingliederungshilfe zur Verfügung.
Ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten vom 16. April 2008 über ein Telefongespräch mit der Mutter der Klägerin bot dieser als Alternative ein Sonder-BVJ in dem Berufsbildungswerk A.in R. an, was die Mutter der Klägerin wegen der mit einer täglichen Bus- und Zugfahrt verbundenen großen Belastung für ihre Tochter ablehnte.
Die Klägerin legte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 06...