Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung bei Rechtsstreit über die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen. keine Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts wegen Nichtbeteiligung weiterer betroffener Arbeitnehmer am Verwaltungsverfahren. keine Einstrahlung bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung. Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei Einstrahlung. Beitragspflicht von Seeleuten in der Arbeitslosenversicherung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Eine Beiladung weiterer, von einem Rechtsstreit über die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen betroffener Arbeitnehmer ist dem Gericht verwehrt, wenn sich aus den Unterlagen weder Anschriften noch Geburtsdaten ergeben und die Ermittlung ihres Wohnortes allenfalls unter äußersten - unverhältnismäßigen, einen großen Zeitaufwand erfordernden - Schwierigkeiten möglich, wenn nicht gar unmöglich wäre.
2. Der Bescheid über die Ablehnung eines Antrags auf Beitragserstattung wird nicht dadurch rechtswidrig, dass weitere betroffene Arbeitnehmer nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt wurden.
3. Bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland liegt Einstrahlung schon deshalb nicht vor, weil das Beschäftigungsverhältnis als mit dem inländischen Entleiher als zu Stande gekommen gilt (vgl Art 1 § 10 AÜG). Dies gilt insbesondere dann, wenn ein ausländisches Unternehmen inländischen Reedern Seeleute zur Beschäftigung auf einem Seeschiff, das die Bundesflagge führt, unerlaubt überlässt. In diesen Fällen sind die deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht anzuwenden (vgl BSG vom 25.10.1988 - 12 RK 21/97 = SozR 2100 § 5 Nr 3).
4. Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei der Einstrahlung (und Ausstrahlung) liegt unabhängig davon, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen ist, regelmäßig bei dem Betrieb, bei dem über die Arbeitsleistung hinaus wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden. Für die Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Betrieb sind dabei einerseits die Eingliederung des Beschäftigten in diesen Betrieb und andererseits die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Betrieb entscheidend.
5. Der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach § 168 Abs 1 S 1 AFG mit den sich daraus ergebenden Beitragsforderungen kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Seeleute anderweitig geschützt sind und kaum in den Genuss von Leistungen aus diesem Zweig der deutschen Sozialversicherung kommen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Beitragspflicht für die Seeleute bestehen nicht (vgl BSG vom 25.10.1988 - 12 RK 21/87 aaO).
Nachgehend
Tatbestand
Im Streit ist die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, welche die Klägerin für die Zeit von März 1986 bis Juni 1989 in Höhe von 194.425,74 DM (99.408,30 EUR) an die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Seeunfallversicherung sowie zur Seemannskasse entrichtet hat.
Die Klägerin ist eine C.-Firma mit Sitz in L. auf Zypern. Sie gehört mehrheitlich der deutschen Reederei B. S. (im Folgenden: Reederei), ist deren Tochtergesellschaft und heuert vornehmlich ausländische - zumeist aus Asien stammende - Seeleute für Einsätze auf unter deutscher Flagge fahrende Schiffe der Reederei an. Nach ihren Angaben bereedert sie auch selbst Schiffe, ist ferner als Schiffsmaklerin tätig und stellt zudem Besatzungsmitglieder für nicht unter deutscher Flagge fahrende Schiffe zur Verfügung.
Nachdem ein zwischen der Reederei und der Beklagten geführter Rechtsstreit über die Verpflichtung, Sozialversicherungsbeiträge für von anderen ausländischen C.-Firmen angeheuerte ausländische Seeleute zu zahlen, durch einen im Anschluss an die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landessozialgericht (Urteil des Bundessozialgerichts ( BSG ) vom 25. Oktober 1988 - 12 RK 21/87 - , BSGE 64, 145 = SozR 2100 § 5 Nr 3) geschlossenen außergerichtlichen Vergleich geendet hatte, beantragte die Klägerin am 30. Oktober 1991 bei der Beklagten die Erstattung der für die Zeit vom 1. März 1986 bis 30. Juni 1989 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge wegen der Beschäftigung ausländischer Seeleute, welche die Klägerin für die Reederei angeheuert hatte.
Die Beklagte lehnte den Erstattungsantrag durch Bescheid vom 9. September 1993 ab, weil die Beiträge nicht zu Unrecht entrichtet worden seien. Die auf deutschen Seeschiffen beschäftigten ausländischen Besatzungsmitglieder hätten der Versicherungspflicht nach deutschem Sozialversicherungsrecht unterlegen. Sie seien nicht versicherungsfrei gewesen, weil eine ungenehmigte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung der Klägerin, die eine Genehmigung der deutschen Arbeitsverwaltung nicht eingeholt habe, vorgelegen habe und § 5 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) daher nicht eingreife. Eine Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland in das deutsche Inland, auch auf ein deutsches Seeschiff, sei nur mit einer Genehmigung nach...