Zweck, Gegenstand des Mitbestimmungsrechts: Das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer

Da das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb grundsätzlich dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt, also fremdbestimmt ist, soll durch § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Vormachtstellung des Arbeitgebers durch die gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitnehmerseite an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung ersetzt werden. Demnach schränkt die Vorschrift das Direktionsrecht ein.

Das Verhalten der Arbeitnehmer lässt sich nach der Rechtsprechung des BAG in zwei Bereiche unterteilen, zum einen in das sog. Ordnungsverhalten, zum anderen in das sog. Arbeitsverhalten.

Nur bezüglich des Ordnungsverhaltens besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der Betriebsrat soll gleichberechtigt bei der Gestaltung der Ordnung für das Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer im Betrieb mitwirken. Dieses Zusammenleben der Arbeitnehmer erfordert im Interesse eines reibungslosen Betriebsablaufes ein bestimmtes Verhalten der Arbeitnehmer, die gewisse Regeln und eine Ordnung beachten müssen, die unabhängig von der Verpflichtung des einzelnen Arbeitnehmers zur Leistung der geschuldeten Arbeit bestehen.

Davon zu unterscheiden ist das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Berührt sind alle Verpflichtungen, die die Erbringung der Arbeitsleistung selbst betreffen.[1] Das Arbeitsverhalten wird allein durch den Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechtes bestimmt, soweit es nicht bereits arbeitsvertraglich geregelt ist. Der Arbeitnehmer ist im Hinblick auf die Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet, Anweisungen und Vorschriften des Arbeitgebers zu beachten.

Soweit eine Maßnahme arbeitsnotwendig ist, wie die Tatsache, dass für den Berufskraftfahrer ein Alkoholverbot besteht, weil sonst der einzelne Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht ohne die Beachtung der Anordnung nicht ordnungsgemäß erbringen kann, entfällt die Mitbestimmung des Betriebsrats.[2]

Mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten sind nach der Rechtsprechung:

  • Anordnungen des Arbeitgebers zur Abwicklung der arbeitstechnischen Einrichtung und Organisation des Betriebs und des Arbeitsablaufs, da diese von der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers erfasst sind[3]
  • sich daraus ergebend die Erstellung von Führungsrichtlinien für Führungskräfte[4]
  • rein arbeitstechnische Anordnungen sowie die Konkretisierung der Arbeitspflicht hinsichtlich Gegenstand, Ort, Zeit, Reihenfolge sowie Art und Weise der Arbeit[5]
  • arbeitsbegleitende Papiere.[6] Der Arbeitgeber kann anordnen, dass die Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeit durch arbeitsbegleitende Papiere belegen, z.B. Führung von Arbeitszeitbelegen[7], Erfassungsbögen, in die zu Kalkulationszwecken die für jedes laufende Arbeitsprojekt aufgewendeten Arbeitsstunden einzutragen sind[8], Einführung von Formularen für Redakteure eines Zeitungsverlages zur täglichen Erfassung der jeweils verrichteten Tätigkeiten und der dafür benötigten Zeit[9]
  • Maßnahmen zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung, so die Observation des Verhaltens der Arbeitnehmer durch einen Privatdetektiv[10]
  • die Einrichtung eines Zugangssicherungssystems ohne Personenkontrolle durch codierte Ausweiskarten[11]
  • Qualitätstests durch Drittfirmen, mit denen die Beratungsqualität z.B. am Bankschalter stichprobenweise überprüft wird. Dies allerdings ohne die Ergebnisse auf einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern zu beziehen.[12]
  • der Erlass einer Dienstreiseordnung, die die Abrechnung der Reisekosten regelt[13]
  • die Einführung eines Formulars, auf dem der den Arbeitnehmer behandelnde Arzt die medizinische Notwendigkeit des Besuchs während der Arbeitszeit bestätigen soll[14]
  • Stellenbeschreibungen, soweit sie nicht über die Arbeitsverpflichtung hinausgehende verhaltensbedingte Regelungen enthalten[15]

Als mitbestimmungspflichtige Ordnungsangelegenheiten hat die Rechtsprechung eingeordnet:

  • Krankengespräche, die der Arbeitgeber systematisch mit häufig oder länger erkrankten Arbeitnehmern führt, um die Krankheitsquote zu senken.[16] Üblich ist es heute, eine Betriebsvereinbarung "Rückkehrgespräche" zu schließen, die auch die Verpflichtung zum Wiedereingliederungsmanagement von über sechs Wochen erkrankten Mitarbeitern (§ 84 Abs. 2 SGB IX) erfasst.
  • generelle Anordnung des Arbeitgebers, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 EFZG vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen[17]
  • Torkontrollen mit oder ohne Leibesvisitation[18], Zugangssicherungssysteme, selbst wenn sie sich in den Gebäuden des dritten Auftraggebers befinden und die Kontrollen von letzterem vorgegeben werden[19]
  • Taschenkontrollen, auch bei Verdacht strafbarer Handlung[20]
  • Anwesenheits- und Pünktlichkeitskontrollen[21]
  • allgemeine Rauchverbote, soweit nicht Rechtsvorschriften diese bereits zwingend anordnen.[22] Arbeitsnotwendig und damit mitbestimmungsfrei ist das Rauchverbot, wenn die ordnungsgemäße Erledigung der Arbeit, z.B. in der Krankenpfleg...

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